Geschichte wird wieder greifbarErgänzen oder nicht ergänzen?

Borg. Im saarländischen Zelt auf dem Freigelände der Römischen Villa in Borg ist Marek Thomanek ganz in seine Arbeit vertieft. In seiner linken Hand hält er ein Stück Feuerstein, etwas dunkler als schiefergrau und leicht glänzend. Fest umgreift seine rechte Hand einen Stecken, aus dem eine feine Hartholzspitze herausragt

Borg. Im saarländischen Zelt auf dem Freigelände der Römischen Villa in Borg ist Marek Thomanek ganz in seine Arbeit vertieft. In seiner linken Hand hält er ein Stück Feuerstein, etwas dunkler als schiefergrau und leicht glänzend. Fest umgreift seine rechte Hand einen Stecken, aus dem eine feine Hartholzspitze herausragt. Geschickt löst der Handwerker mit diesem Hilfsmittel aus dem Stein kleine, messerscharfe Splitter. "Pfeilspitzen oder Messerklingen, je nach Größe und Bedarf", sagt Thomanek. Seine Steinzeitwerkstatt führe er mittlerweile seit fünf Jahren. Insgesamt übe er diesen Beruf jedoch schon eineinhalb Jahrzehnte aus, erklärt der Mann aus dem schwäbischen Dußlingen. Die Herstellung steinzeitlicher Werkzeuge und Waffen sei leider kein Lehrberuf. Kurz hebt der Handwerker den Kopf, lässt für einen Augenblick ab von seiner Arbeit. "Man muss sich in diesem Job vieles selber beibringen", sagt er und geht wieder konzentriert ans Werk.Der Archäologiepark Römische Villa Borg bot am vergangenen Wochenende die ideale Plattform für die zweite Messe für lebendige Geschichtsdarstellung. An zwei Tagen zeigten 40 Aussteller Repliken und Ausstellungsgegenstände als Nachbildungen historischer Ereignisse von der Steinzeit bis zum Mittelalter. "Diese Messe richtet sich an Geschichtsnachbilder und Museen", erläuterte Frank Wiesenberg, Mitorganisator und Museumspädagogischer Dienstleister. "Wir bieten den Handwerkern das Forum zur eigenen Ausstattung, aber auch zum Informationsaustausch", so Wiesenberg. Die Messe zeige viele Stücke, die exakt nach original Fundlage gefertigt oder nach Überlieferung nachgebildet seien. Schwerpunkte der Ausstellung seien neben Textilien und Webtechniken und Textilfärbung auch Metallverarbeitung, Waffenherstellung, medizinisches Gerät und vor allem Gegenstände des täglichen Bedarfs. Die Palette der Gegenstände reichte vom historischen Zelt bis zum filigranen Schmuck der Kelten. "Geschichtsinteressierte Besucher, Amateure wie Profis, können sich überdies in den Vorträgen über neueste Forschungsergebnisse informieren", betonte Wiesenberg. Man zeige Produkte, die zum Teil auf dem aktuellen Forschungsstand seien und erstmals der Öffentlichkeit präsentiert würden.

"Der Rahmen, den wir angepeilt haben, geht von der Steinzeit bis ins 11. Jahrhundert", bestätigte Bettina Birkenhagen, Leiterin der Villa Borg. Es seien aber nicht nur Professionelle, die von der Messe partizipieren. "Es ist auch eine gute Gelegenheit für Laien, sich zu informieren, mit den Ausstellern zu sprechen und Hintergründiges zu erfahren", sagte die Villa-Borg-Chefin.

Man habe großen Wert darauf gelegt, auch kleine Besucher an das Thema heranzuführen. Ein gutes Beispiel dafür sei das historische Brotbacken. Allgemein habe man schon seit Langem den Gedanken gehegt, für den Museumsbereich geeignete Anschauungsobjekte zu finden. Darum sei eine solche Messe besonders für Museumsbetreiber interessant. Birkenhagen: "Hier kann man sich umschauen, hier hat man alles zusammen, was man auf diesem Gebiet braucht."

Frau Kasparek, Sie und Ihre Kollegin Sarah Bruch sitzen hier vor einer Menge Scherben. Wo stammen diese Funde her?

Nicole Kasparek: Für diese Ausstellung haben wir Funde mitgebracht aus dem Gräberfeld "Schwarzerden" in der saarländischen Gemeinde Freisen. Das Keramik-Material ist leider dort etwas dünn gesät, deshalb zeigen wir hier auch andere Materialien.

Ihre Kollegin ist zurzeit mit zahlreichen Einzelteilen beschäftigt, um daraus das ursprüngliche Gefäß wiederherzustellen. Wie lange arbeitet man an einer solchen Aufgabe?

Kasparek: Wenn man so routiniert ist wie Sarah Bruch geht es sehr zügig. Gestern hat sie einen Krug zusammengesetzt. Wenn man ausreichend Übung hat, schafft man gut und gerne zwei solcher Objekte am Tag.

Sind dazu bestimmte Vorarbeiten vonnöten?

Kasparek: Ja, was wir hier zeigen, ist der letzte Schritt einer Restaurierung. Im Amt haben wir bereits die Fundstücke gereinigt und gefestigt. Hier vor Ort wäre das nicht machbar. Wir brauchen zur Aufbereitung fließendes Wasser und wegen des Chemikalieneinsatzes auch einen Abzug.

In vielen Fällen werden die Scherben nicht das vollständige Objekt ergeben. Sind Sie deshalb auch mit der Nachbildung fehlender Teile betraut?

Kasparek: In der Restaurierung stellt sich immer die Frage: ergänzen oder nicht ergänzen? Generell plädiere ich dafür, dass man nur aus Stabilitätsgründen Ergänzungen anbringt. Da ich die einzige Restauratorin im Saarland bin, würde mir auch die nötige Zeit fehlen. Das aktuelle Gräberfeld in Freisen ist riesig. Ein Grab hat bis zu 30 Gefäße. Da ist es zeitlich nicht machbar, dass man jedes Stück komplett restauriert.

Und wie erfolgt nach Ihrer Arbeit die wissenschaftliche Erfassung?

Kasparek: Nachdem wir die Objekte wieder hergestellt haben, wird eine genaue Zeichnung angefertigt. Damit ist die Fundsache wissenschaftlich erfasst und kommt ins Magazin. Grundsätzlich arbeitet der Restaurator dem Archäologen zu. Bei der Keramik ist das Ergebnis sehr schnell erkennbar. Anders verhält es sich bei metallischen Funden. Da findet sich oft nur ein Rostklumpen, in dem sich etwas Verwertbares verbirgt.

Wie lässt sich das Alter Ihrer Fundstücke bestimmen, ohne dabei modernste technische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen?

Kasparek: Die Altersbestimmung erfolgt über den Fundplatz. Die Kombination des Objektes zusammen mit den Erdschichten und Keramiken lässt erste Schlüsse zu. Im Idealfall finden sich Münzen, die aufgrund ihrer Prägung immer gut datierbar sind.

An welche Ihrer Arbeiten erinnern Sie sich besonders gerne?

Kasparek: Meine schönste Arbeit war die Rekonstruktion und Restaurierung von zwei Kästchen aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Es waren Funde aus einem keltischen Frauengrab. Beide sind im Landesmuseum in Trier zu bewundern.

Auf einen Blick

Aussteller aus Deutschland, dem gesamten europäischen Raum, aber auch aus Übersee gaben auf dem Gelände der Villa Borg einen Überblick über ihr Leistungsspektrum. Eine rege Gemeinde von Geschichtsdarstellern interessiert sich für die Nachstellung historischer Ereignisse (Reenacting), bestimmter Szenen und Gewerke (Living History) sowie die Erforschung historischer Techniken (experimentelle Archäologie). Nutznießer dieser Messe sind Hersteller, Händler, Werkstätten, Museen und Akteure aus dem museumspädagogischen Bereich. owa

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