Aufschrei gegen „Stahlkolosse“

Merzig/Waldwisse · Die Trägervereine von „Steine an der Grenze“ laufen Sturm gegen die Pläne, diesseits und jenseits der Grenze 13 Windräder in direkter Nähe der grenzüberschreitenden Skulpturenstraße zu errichten. Dies werde ein hoch angesehenes Mahnmal der Versöhnung zerstören, heißt es in einer Erklärung.

Der Bau von Windradanlagen sorgt regelmäßig in der Umgebung der geplanten Standorte für Zündstoff. Auch in Merzig regt sich nun Widerstand gegen die vorgesehene Errichtung von Windrädern: Unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze, nahe den Orten Silwingen, Büdingen und Wellingen, sollen vier Windräder mit einer Gesamthöhe von rund 200 Metern gebaut werden. Doch damit nicht genug: Direkt auf der anderen Seite der Grenze, nahe Waldwisse, plant ein deutscher Investor die Errichtung von neun weiteren Windrädern, die eine Höhe zwischen 130 und 150 Metern haben sollen.

Diese beiden geplanten Windparks befinden sich in unmittelbarere Nähe zur grenzüberschreitenden Skulpturenstraße "Steine an der Grenze", die im Verlauf von fast 30 Jahren entlang dem Grenzstreifen entstanden ist. Deren Initiatoren laufen nun Sturm gegen die Windkraft-Projekte, die nach ihrer Überzeugung den künstlerischen und auch touristischen Wert der Skulpturenstraße zerstören werden. In einer gemeinsamen Erklärung zeigen sich Professor Alfred Diwersy, Vorsitzender des Vereins "Steine an der Grenze", sein Pendant beim französischen Partnerverein "Menhirs de l'Europe", Dennis Hourt, sowie Professor Paul Schneider, Bildhauer aus Merzig und künstlerischer Leiter des Symposions, fassungslos über "die mangelnde Sensibilität, mit der hier vorgegangen wird". Diwersy beklagt "die Zerstörung einer einzigartigen Kultur- und Naturlandschaft, der die Steine einen unverwechselbaren Charakter gegeben haben". Und weiter: "Die Steine haben die Menschen zusammengeführt, die gigantischen Windanlagen werden wieder eine Barriere errichten." Eine Aufbauarbeit von über 25 Jahren drohe verloren zu gehen. In die gleiche Kerbe schlägt Jürgen Schreier, früherer saarländischer Kultusminister und Mit-Initiator von "Steine an der Grenze": "Hier wird ein international künstlerisch hoch angesehenes Mahnmal mutwillig zerstört." Paul Schneider sieht nicht nur sein Lebenswerk zerstört, sondern fühlt sich und alle Künstler, die mit ihren Skulpturen die "Steine an der Grenze" geschaffen haben, vor den Kopf gestoßen: "Wir, die Bildhauer, haben unsere Steine ebenfalls der Landschaft geschenkt. Jetzt wird nicht nur unser Werk missachtet, sondern auch die Idee, aus der heraus es entstanden ist." Bereits im März hatte Schneider via SZ einen Protestaufruf an den Stadtrat gerichtet, gegen die auf französischer Seite geplanten Windräder zu intervenieren. Stadtrat und Verwaltung in Merzig hätten aber keine Bedenken erhoben, sondern im Gegenteil noch eins draufgesetzt - indem sie selbst auf der deutschen Seite der Grenze den Bau von vier eigenen Anlagen billigten. Schneider kann das nicht fassen: "Man wird sich noch wunden: Die Menschen bekommen wenig und verlieren viel."

Rund 200 Meter hoch sollen die Anlagen auf deutscher Seite werden, das entspreche "der Höhe des Kölner Doms plus 40 Metern", unterstrich Schreier. Die unmittelbare Nähe solcher "Stahlkolosse" zu den Kunstwerken ist für ihn nicht akzeptabel. Die Verantwortlichen für die Skulpturenstraße möchten das nicht widerstandslos hinnehmen: Sie wollen eine Unterschriftenaktion gegen die Windkraftpläne starten und auf Infoveranstaltungen auf die fatalen Konsequenzen der Windparks für "Steine an der Grenze" aufmerksam machen. Und es soll eine Resolution aller dabei beteiligten Künstler, soweit diese noch erreichbar sind, erarbeitet werden. Für Schreier steht fest: "Wenn diese Pläne umgesetzt werden, ist das, was bei ‚Steine an der Grenze' entstanden ist, tot."

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