Eine Exkursion, die Spuren hinterlässt

Merzig · Kurz vor den Osterferien unternahmen Schüler des Merziger Gymnasium am Stefansberg eine Tour nach Polen, um die KZ-Gedenkstätten in Auschwitz und Birkenau zu besuchen. Die Schülerin Pauline Magin beschreibt nach der Exkursion ihre Eindrücke und Gefühle.

 Wer durch das Tor der KZ-Gedenkstätten in Auschwitz geht, betritt eine Welt des schieren Grauens und des unendlichen Leidens. Fotos: Gymnasium am Stefansberg

Wer durch das Tor der KZ-Gedenkstätten in Auschwitz geht, betritt eine Welt des schieren Grauens und des unendlichen Leidens. Fotos: Gymnasium am Stefansberg

31. März, halb acht morgens. Voll besetzt mit rund 74 Personen rollte der Bus von Krakau Richtung Auschwitz. Schüler von zwei Geschichtskursen des Gymnasiums am Stefansberg und Schüler unserer Partnerschule in Arnstadt plus Lehrer und Begleitpersonen füllten den Bus mit ihren Erwartungen. Die Stimmung war gedämpft und jeder malte sich aus, was uns wohl dort alles erwartete.

Mit Verspätung kamen wir am Stammlager an. Dort hätte um neun Uhr eine Führung starten sollen, doch die Anmeldung und Gruppenbildung dauerte länger als geplant, so dass unsere zwei Gruppen erst gegen halb zehn von ihrem jeweiligem Gästeführer begrüßt wurden.

Zu Beginn gingen wir alle durch das Tor "Arbeit macht frei", dann wurden wir durch die Shoa-Ausstellung geführt. Wie lauschten alle gebannt der Stimme unserer Leiterin, die uns mit Informationen versorgte. Betrübt waren wir jetzt schon, doch das Stammlager hat noch mehr Grausamkeiten zu bieten: In einer Baracke sind Überbleibsel der Gefangenen ausgestellt, wie zum Beispiel Haare, Schuhe, Prothesen und vieles mehr. Hinter Glas türmen sich die Schuhe bis zur Decke, Haare von Tausenden von Menschen liegen teilweise zu Filz geballt meterhoch auf dem Boden. Die einen schluckten schwer, andere schüttelten fassungslos den Kopf.

Nach der Führung ließ man uns eine Stunde Zeit, eine Pause einzulegen. Anschließend waren zwei Workshops geplant, in denen man sich intensiv mit einem Thema des KZs auseinandersetzen konnte. Je nach Wahl: Sonderkommando, Medizinische Versuche, Kinder und SS. Diese Workshops wurden in den Baracken durchgeführt, wir fühlten uns alle sehr beklommen. Auf der Rückfahrt herrschte eine nachdenkliche Stimmung, die sich wie Nebel über alles legte.

1. April, sieben Uhr 20. Wir trafen uns am Bus. Aprilscherze wurden keine gemacht, denn dort, wo wir hinfuhren, gab es nun wirklich nichts zu lachen: Birkenau, Vernichtungslager. Diesmal pünktlich, versammelten sich die zwei Gruppen wie am Vortag um ihre Gästeführer. Zunächst verschafften wir uns einen Überblick über die Gesamtgröße des Vernichtungslagers. Wie stiegen Treppen hinauf, in einen SS-Wachturm, der über allem thronte. Die gewaltigen Ausmaße des Lagers sind unfassbar. Auf der linken Seite zerstörte Baracken, auf der rechten noch intakte Unterkünfte. Die Fläche schien unendlich zu sein.

Dann standen wir neben den Eisenbahnschienen auf der Rampe, standen auf dem Boden, auf dem Menschen selektiert wurden, stellten uns Szenarien vor, die sich abgespielt haben könnten. Wir sahen die zerstörten Krematorien, die Tümpel daneben, in die die Asche der verbrannten Gefangenen geschüttet wurde, sahen Gedenksteine und das Denkmal aus den Überresten eines Krematoriums. Man erzählte von Fluchtversuchen, Heldentaten und Liebesgeschichten. Uns wurde eine Frauenbaracke gezeigt und die "Toiletten", die die Gefangenen benutzen mussten.

Wir gingen in das Haus, in dem die Menschen ihrer Identität beraubt und zu Nummern wurden, gingen ihren Weg durch Umkleide-, Haarschneide-, Untersuchungs- und Waschraum, bis zu einem Raum, in dem private Bilder der Häftlinge ausgestellt waren. Nun konnte man der Menschenmasse Gesichter zuordnen, was es nicht leichter machte, die Nerven zu behalten. Ratlosigkeit über so viel Brutalität und Tyrannei, Niedergeschlagenheit und auch Wut spiegelten sich in uns wider.

Diese vielen Eindrücke brachte uns die Geschichte näher, jetzt können wir uns wenigstens ein bisschen vorstellen, wie es damals war. Wir haben mit eigenen Augen die furchtbare Dimension und Grausamkeit dieser Orte gesehen. Uns wurden abschließend von unseren Gästeführern zwei Fragen gestellt, mit denen wir uns immer noch beschäftigen: "Was hätten Sie getan, wären Sie ein Soldat in jener Zeit gewesen?" "Hätten Sie sich widersetzt, oder auch die Befehle befolgt, um das eigene Leben zu retten?"

 Ein Lager-Wachturm.

Ein Lager-Wachturm.

 Das Gruppenfoto zeigt die Schüler aus Merzig und Arnstadt vor dem Holocaustdenkmal in der Gedenkstätte Auschwitz.

Das Gruppenfoto zeigt die Schüler aus Merzig und Arnstadt vor dem Holocaustdenkmal in der Gedenkstätte Auschwitz.

Zum Thema:

Auf einen BlickKnapp 70 Jahre nach der Befreiung des KZs Auschwitz hat die Beschäftigung mit dem Holocaust am Gymnasium am Stefansberg einen hohen Stellenwert. Besichtigungen der KZ-Gedenkstätten in Struthof im Elsass und Buchenwald in Thüringen gehören zum festen Bestandteil des Geschichts- und Religionsunterrichts, ebenso wie die alljährlich stattfindenden Besuche von Zeitzeugen in der Schule. Nachdem die Thematik im Unterricht gründlich vorbereitet wurde, ermöglichte die Schule - mit großzügiger Unterstützung des Fördervereins, von Firmen und den Eltern - ihren Elftklässlern eine ganz besondere Exkursion zu der Gedenkstätte des KZs Auschwitz - also in das ehemalige Konzentrationslager, das wie kein anderes die Dimensionen des Holocaust versinnbildlicht. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der GaS-Partnerschule in Arnstadt in Thüringen besuchten etwa 40 Merziger Oberstufenschüler die Gedenkstätten in Polen. red

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