Was ist meine Wirklichkeit?

Saarbrücken · Zusammen mit Nelia Dorscheid hat Bernd Marcel Gonner den Hauptpreis des diesjährigen Hans-Bernhard-Schiff-Literaturpreises erhalten. Was für ein Mensch ist der Mitvierziger, der seit seinem 18. Lebensjahr schriftstellerisch arbeitet?

 Der gebürtige Luxemburger Bernd Marcel Gonner. Foto: Astrid Karger

Der gebürtige Luxemburger Bernd Marcel Gonner. Foto: Astrid Karger

Foto: Astrid Karger

Literatur ist, wenn das Verb nicht zum Substantiv passt. Freiheit ist, über den Zaun zu springen. Der 1966 in Luxemburg geborene Bernd Marcel Gonner beherrscht die deutsche Sprache so gut, dass er sie sogar erklären kann. Die langjährige Tätigkeit als Dozent für Deutsch als Fremdsprache verstärkte aber auch den Wunsch, die Normierungen mal hinter sich zu lassen, bewusst und zugleich frei mit der Sprache umzugehen.

Beim Hans-Bernhard-Schiff Literaturpreisträger Gonner sickern Schlager aus dem Radio. 2009 verließ er die geschätzten Kollegen der Münchner Universität, um sich bei freier Zeiteinteilung auf die Schriftstellerei konzentrieren zu können, zog mit dem Lebensgefährten von der Stadt aufs Land und fand dort Gleichgesinnte. Das Dorf an einem württembergischen Hang zieht wohl gerade wegen seiner Ursprünglichkeit Kunstschaffende an. Freiheit ist, was Gonner leben möchte, und das, wovon er schreibt. Den bislang unveröffentlichten Roman "Parallelwelten" bevölkern Mensch-Tierwesen, die "extrem schräg drauf" sind und Anziehungskraft auf die ebenso fiktiven Menschen im Roman ausüben. Sie leben eine Utopie, ein Miteinander, das auf völliger Freiwilligkeit beruht.

Den Autor bewegt die Idee, "wie eine von freien Menschen bewohnte Welt" aussehen könnte. "Jede Stadt ist ein Versuch, die Heiterkeit zu finden", lautete das Motto des Wettbewerbs. In der für den Literaturpreis eingereichten Geschichte scheitern die Helden, geglückt ist ihre Mission dennoch, wenn sie den Leser an die "westkapitalistische Wirklichkeit" gemahnen. Klingt dogmatischer als es ist, Gonner ist ein Fabulierer, wo er geht und steht, setzen sich in seinem Kopf aus "Wirklichkeitsresten" Geschichten zusammen. Das Geräusch durchschnittener Brötchen beim Hotelfrühstück reicht, um die Fantasie losgaloppieren zu lassen.

Was ist meine Wirklichkeit? Was und wo ist Außen, wo Innen? Das fragen der Autor und sein Romanpersonal, brüchig auch das Ich, unendlich facettenreich und fragwürdig die Wahrnehmung der Welt. Dann beginnt die Arbeit - was sprudelte, wird geschrieben, umgeschrieben, überarbeitet und eingedampft. Der Leser enträtselt.

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