Starke Lady, mafiöser Macbeth

Saarbrücken · Von der schottischen Kulisse befreit, hat Sebastian Welkers Macbeth-Inszenierung am Samstagabend in Saarbrücken eine begeistert aufgenommene Premiere gefeiert. Doch anders als bei Shakespeare, ist hier die Lady Macbeth die Hauptperson.

 Eine Oper ohne Liebe, dennoch geht es um Begierde: Lady Macbeth (Melba Ramos) gelüstet es nach Macht. Foto: Thomas M. Jauk

Eine Oper ohne Liebe, dennoch geht es um Begierde: Lady Macbeth (Melba Ramos) gelüstet es nach Macht. Foto: Thomas M. Jauk

Foto: Thomas M. Jauk

Macbeth kennt man doch: ein düsteres Schloss im schottischen Hochmoor, flackernde Kerzen, Hexen, Geister, Prophezeiungen, viel Blut und am Schluss der Sieg des Guten. Aber wie bringt man das heutzutage auf die Bühne, ohne dass es wirkt wie ein Fernseh-Nachmittagsprogramm?

Sebastian Welker als Regisseur beim Saarländischen Staatstheater beginnt mit Nebelschwaden und einer nebulösen Collage: fechtende Kinder, die ein lustiges Spiel namens "Totstechen" vorführen. Ein Sarg, eine Trauergesellschaft. Ein Hexenchor aus der Unterwelt. Dann Macbeth (Olafur Sigurdarson) als Mafiaboss, bullig und finster wie Brechts Macheath, stimmlich umso überzeugender, je verhaltener er singt. Verbunden mit einem sensiblen und nuancenreichen Spiel, das intensive Regiearbeit verrät. Dazu drei weiß gekleidete Mägdelein, wie Nesthäkchen entsprungen (Antonia di Rosa, Feliciana Solander, Mira Yazici). Aber Vorsicht, das sind Hexen, und wenn sie erscheinen, wird es ungemütlich.

Nun Auftritt Lady Macbeth (Melba Ramos). Vom ersten Schritt, vom ersten Ton an weiß man: Sie ist, anders als bei Shakespeare, die Hauptperson. Er zögert, grübelt, sie treibt an. "O voluttà del soglio!", "Wollust der Macht!", rutscht ihr einmal heraus. Wobei sie die Lady nicht wie üblich als dämonische Hysterikerin zeichnet, sondern als gebändigte, kraftvolle Persönlichkeit, die kaltblütig ihre blutigen Hände im Champagnerkühler reinigt und jederzeit ihren Mann durchschaut - "Du bist eitel, Macbeth, doch Dir fehlt die Kühnheit!" - ihn notfalls mit einer Ohrfeige zur Raison bringt, dann aber wieder mütterlich zärtlich tröstet. Und diese Stimme! Kraft und Leidenschaft, metallisch leuchtende Spitzentöne, ein intensives Piano, gelegentlich ein kehliges Gurren. Ihr Trinklied, ihre Schlußszene werden damit zu Höhepunkten. Dabei hat sie gute Mitspieler: Hiroshi Matsui als nachdenklicher, sonorer Banco, Mickael Spadaccini als geschmeidiger Belcanto-Macduff, dazu Herdís Anna Jónasdóttir, János Ocsovai, Fjölnir Ólafson, Matthias Piro, Gustav Jänicke und in stummer Rolle Gaetano Franzese.

Dass der Regisseur manche Andeutung der Partitur zu Ende denkt und auch alle Morde und Untaten, die Verdi diskret hinter die Bühne verlegte, schonungslos darstellt, ist konsequent. Und rasch begreift man, dass ein Mordkomplott, zwischen Smoking und Abendkleid abgesprochen (Kostüme: Doey Lüthi), bedrohlicher wirkt als in jedem historischen Kostüm. Dass papierne Zitate wie "Stunde des Todes und der Rache" plötzlich zünden, wenn die Kinder dabei Ringelreihen spielen. Logisch auch die strikte Einbeziehung der Musik in das Regiekonzept. Gefällt es Verdi, zum Mordkomplott eine heiter-tänzerische Musik zu komponieren, dann wiegt sich die Anstifterin eben lasziv in den Hüften.

Manches aber muss der arglose Zuschauer allein entschlüsseln (und möglicherweise falsch deuten): Verwandeln sich die drei Hexenmädchen später in einer packenden Szene in Macduffs (ermordete) Kinder? Spielt die finale Krönung auf die einleitende Fechtszene an? Nach dem Motto: Der mörderische Kampf um den Thron wird weitergehen? Aber sind Rätsel nicht schöner als platte Tatsachen? Friedrich Eggert baute für all das einen eleganten und, je nach Szene, wandelbaren Salon im Stil der 1920er-Jahre; das Orchester, von Marzio Conti offenbar sorgfältig einstudiert und inspirierend dirigiert, entwickelte den typischen Verdi-Klang, und Jaume Miranda sorgte für die auffallende Klangfülle des Chores. Überhaupt: Lag es an der Regie, lag es am Dirigenten: Gerade die großen Ensembleszenen beeindruckten durch ungewöhnliche Lebendigkeit und Dramatik. Am Schluss wahre Ovationen.

Nächste Termine: Samstag, 19. April; Mittwoch, 23. April; Mittwoch 30. April; Donnerstag, 8. Mai; Dienstag, 20. Mai; Freitag, 23. Mai; Donnerstag, 12. Juni; Sonntag, 22. Juni; Freitag, 27. Juni; Sonntag, 6. Juli; Samstag, 12. Juli, Sonntag, 20. Juli. Karten unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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