Nächster Halt? Revolution

Das koreanische Kino macht seit einigen Jahren international auf sich aufmerksam. Bong Joon-ho („The Host“) gehört zu den wichtigsten Regisseuren. In seinem Film „Snowpiercer“ nimmt er Bezug auf die gesellschaftliche Situation von heute: Nach einer Klimakatastrophe rasen die letzten Überlebenden in einem Zug durch eine vereiste Welt. Im Zug herrscht eine strikte Trennung zwischen Arm und Reich – bis die Revolution ausbricht. SZ-Mitarbeiter Martin Schwickert hat den Regisseur in Berlin getroffen und mit ihm über den Film gesprochen.

 So sieht das Leben im hinteren Teil des Zuges aus. Kein Wunder, dass die Insassen nach vorne wollen – in die Erste Klasse. Foto: MFA

So sieht das Leben im hinteren Teil des Zuges aus. Kein Wunder, dass die Insassen nach vorne wollen – in die Erste Klasse. Foto: MFA

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"Snowpiercer" beruht auf einem französischen Comic. Was hat Sie an der Geschichte aus filmemacherischer Sicht gereizt?

Bong Joon-ho: Die originelle Grundidee. Es gibt ja viele Bücher und Comics mit einem apokalyptischen Zukunftsszenario. Aber dass die Handlung in einen Zug verlegt wird, ist außergewöhnlich. Dort herrschen krasse Klassenunterschiede, eine Revolution bahnt sich an - das hat mich fasziniert. Einen Zug als filmischen Raum zu entdecken, war eine weitere Herausforderung.

Inwieweit spiegelt die Hierarchie im Zug die Verhältnisse in der globalen Gesellschaft wider?

Bong Joon-ho: Science-Fiction-Filme spielen ja vermeintlich in der Zukunft, reflektieren aber die Gegenwart. In eine ferne Zukunft weitergedacht, kann man die heutigen Verhältnisse deutlich herausarbeiten. Die Zustände im Zug spiegeln die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Auch in Südkorea wird dieser Konflikt immer bedrohlicher. Aber jedes Land kann sich im Film wiedererkennen. Der Zuschauer wird sich fragen, in welchem Abteil er landen und welche Rolle er in diesem Sozialgefüge spielen würde.

Ihr Film wurde auf Englisch mit einer internationalen Besetzung gedreht. Ist das noch ein koreanischer Film?

Bong Joon-ho: Nein, eigentlich nicht. Es gibt keine koreanischen Elemente darin, und selbst die beiden koreanischen Schauspieler sind nicht als Koreaner zu erkennen. Und das passt ja auch zum Sujet des Films. Es geht um das, was nach einer Apokalypse von der Menschheit übrig geblieben ist. Und da spielt der Klassenkampf zwischen Unter- und Oberschicht eine größere Rolle als irgendwelche nationalen Zugehörigkeiten.

Woher speist sich die innovative Kraft, mit der koreanische Filmemacher in den letzten Jahren immer wieder überraschen?

Bong Joon-ho: Die südkoreanische Gesellschaft befindet sich im starken Umbruch. Diese Veränderung bringt natürlich eine gewisse Verunsicherung mit sich, aus der heraus sich dieser kreative Schub des koreanischen Kinos vielleicht erklären lässt. Auf jeden Fall liebt das Publikum in Südkorea unsere Filme. Der Marktanteil heimischer Produktionen liegt bei 50 bis 60 Prozent, im Jahr entstehen in Südkorea zwischen 100 und 150 Filmen.

Korea ist ein geteiltes Land. Inwieweit sind die Themen und die künstlerische Herangehensweise des südkoreanischen Kinos von der politischen Situation und der Konfrontation mit Nordkorea geprägt?

Bong Joon-ho: Für uns ist das Normalität. Die meisten Koreaner sind in dieses geteilte Land hineingeboren worden und kennen es nicht anders. Die Generation, die den Koreakrieg noch miterlebt hat, stirbt langsam aus. Für uns ist eine Wiedervereinigung nicht in Sicht. Wenn Nordkorea mal wieder einen Atombombentest unternimmt, ist das Ausland erschrocken - wir in Südkorea zucken nur mit den Achseln.

"Snowpiercer" läuft ab morgen im Saarbrücker Filmhaus.

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