Mit „Tosca“ kam die Herrlichkeit

Saarbrücken · Es ist eine klassisch schöne „Tosca“ geworden, mit der das Staatstheater nach gut sieben Monaten Sanierung ins Große Haus zurückkehrte – mit grandiosen Bühnenbildern. Und ein Sängerfest ist es obendrein.

 Starke Bilder, große Szenen: Tosca (Victoria Yastrebova) zerrinnt das Lebensglück zwischen den Fingern. Fotos: Stage Picture/Thomas M. Jauk

Starke Bilder, große Szenen: Tosca (Victoria Yastrebova) zerrinnt das Lebensglück zwischen den Fingern. Fotos: Stage Picture/Thomas M. Jauk

Die Callas trat mit der "Tosca" 1965 von der Bühne ab. Das zählt ja schon mal. Und hat man überdies im Ohr, dass sich mit Puccinis Geniestreich allein schon eine Operngala bestücken ließe, weil da von "Vissi d'arte" bis "E lucevan le stelle" ein halbes Dutzend der ergreifendsten Arien und Duette überhaupt versammelt sind, liegt auf der Hand: Man kann kaum Besseres wählen als diese Oper, um den Wiedereinzug in den Stammsitz des Saarländischen Staatstheaters zu zelebrieren. Große Oper für's erneuerte Große Haus.

Aber auch in puncto Solisten serviert Intendantin und Regisseurin Dagmar Schlingmann mit großer Geste. Vorlaut formuliert: Wer sich bei der 15 Millionen Euro teuren Sanierung so tadellos im Kostenkorsett hielt, darf es bei der Party danach mal krachen lassen. Victoria Yastrebova jedenfalls, eigens für die Titelrolle eingekauft, ist ansonsten Solistin am noblen St. Petersburger Mariinsky-Theater. Die russische Sopranistin singt und spielt die Tosca in Saarbrücken so hingebungsvoll, dass es (fast) zur reinen Freude gereicht. Volumen, Kraft, dramatische Schärfe, auch wenn das Vibrato manchmal irritiert, vor allem aber ihr Gestaltungskönnen summieren sich zu einem Katalog der Vorzüge. Und so nimmt man ihr auch diesen tiefen Fall der Tosca ab. Am Morgen ist sie noch eine junge, begehrte Frau, die sich vor allem um ihre Sängerkarriere und ihr Liebesleben sorgt. Am Abend ist ihr Geliebter Cavaradossi tot, erschossen. Um ihn vor den Kugeln zu bewahren, hat sie den Anführer der Republikaner Angelotti (wie so oft sängerisch eine sichere Bank: Hiroshi Matsui) verraten und den gefürchteten Polizeichef Roms, Scarpia, mit dem Messer gemeuchelt. Umsonst. Nach all diesen Katastrophen sieht sie für sich bloß noch einen Weg: Sie stürzt sich von der Engelsburg. Noch überzeugender allerdings wäre dies, dosierte Yastrebova ihre unerschöpfliche Stimmkraft ab und an. Manchmal tönt das doch sehr nach Gala-Abend.

Von diesem Drang kann auch Alex Vicens als Toscas Herzensmann Cavaradossi sich nicht ganz freimachen. Nachvollziehbar, wenn ein Sänger mit solch beweglichem Tenor, so viel Feuer und Höhenglanz gesegnet ist. Das will man auch mal aussingen. Und das Publikum belohnt das auch mit Szenenapplaus. Dabei: Es geht auch anders. Olafur Sigurdarson beweist, wie man auch mit grandioser Sängerleistung in seiner Rolle bleibt. Dieser Scarpia ist bei ihm auch nicht der übliche sinistre Tyrann, unter dem alle Freiheitsliebenden in Rom leiden. Dieser Scarpia ist ein Getriebener seiner Leidenschaft - und damit auch bloß Mensch: Wenigstens ein einziges Mal will er Tosca besitzen. Dafür setzt er alles ein, seine fürchterliche Macht - und letztlich auch sein Leben.

Das Staatsorchester ist da ganz an Sigurdarsons Seite. Wirkt der Klang anfangs noch kompakt, schafft Will Humburg immer mehr Transparenz, einen herrlichen Puccini-Glanz, aber auch eine Musik, die das Innenleben der Protagonisten spiegelt.

All das unterstreicht schon: Dagmar Schlingmanns Inszenierung zielt nicht auf Politik, auf die Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Königstreuen im Rom anno 1800, oder auf den ewigen Kampf um Freiheit und gegen Unterdrückung. Das hätte wohl nahe gelegen, da das Staatstheater dieser Tage auch seiner Eröffnung vor 75 Jahren gedenkt. Dazu jedoch bleibt Schlingmanns Regie zu zeitlos, zu sehr auf schönes Opernerlebnis aus. Ein paar Plakatträger über die Bühne marschieren zu lassen, macht noch kein politisches Theater.

Dafür trumpft ihre Regie im Emotionalen auf, im Mit- und Gegeneinander der Menschen. Dazu passt auch der Einfall, via Videoprojektion Toscas Fall rückblickend im Todesmoment zu erzählen. Und ungemein fesselnd ist dieser Abend in seinen famosen Bildern. Gemeinsam mit Bühnenbildnerin Sabine Mader folgt Schlingmann da ihrem bewährten Weg des Weniger ist mehr. Sparsam sind die Kulissen, aber sie machen Eindruck: Sogleich folgt man mit Augen und in Gedanken an die römischen Schauplätze, ob Engelsburg oder die Kirche San Andrea della Valle. Wie sich das Gotteshaus da auch in die Tiefe schraubt (und das völlig lautlos!) ist nur eines der technischen Bravourstückchen, die nun möglich sind. Da war es einfach schön, dass Schlingmann zum ersten Schlussapplaus im frisch sanierten Haus auch die Technikmannschaft auf die Bühne holte.

Weitere Vorstellungen:

30. Nov.; 4., 6. und 15. Dez. Karten: Tel. (06 81) 3 09 4 86.

 Juwel im Saarbrücker Ensemble: Bariton Olafur Sigurdarson als Polizeichef Scarpia.

Juwel im Saarbrücker Ensemble: Bariton Olafur Sigurdarson als Polizeichef Scarpia.

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HintergrundKeine Theaterwiedereröffnung ohne Festansprache. Die aber hielt Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Sonntag so knapp wie herzlich, verbunden mit großem Dank ans Theater. Ohne Frage seien die 15 Millionen Euro, die das Land für die technische Generalsanierung des Großen Hauses bereit stellte, ein "Kraftakt" gewesen. Nun sei es auch an den Theaterzuschauern, so die Ministerpräsidentin, für das Haus zu werben, damit möglichst viele sehen, was mit der neuen Technik möglich ist. oli

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