Mäßige Prosa, kraftvolle Lyrik: Der Wettbewerb Open Mike

Berlin. Die vielversprechendsten Neuentdeckungen des "Open mike" - vielleicht sind es Juan S. Guse und Sandra Gugiæ. Sie landeten am Wochenende bei dem Berliner Literatur-Nachwuchs-Wettbewerb im Bereich Prosa beide auf dem ersten Platz. Der 23-Jährige aus Seligenstadt und die Wienerin (Jahrgang 1976) erhielten jeweils 2500 Euro

Berlin. Die vielversprechendsten Neuentdeckungen des "Open mike" - vielleicht sind es Juan S. Guse und Sandra Gugiæ. Sie landeten am Wochenende bei dem Berliner Literatur-Nachwuchs-Wettbewerb im Bereich Prosa beide auf dem ersten Platz. Der 23-Jährige aus Seligenstadt und die Wienerin (Jahrgang 1976) erhielten jeweils 2500 Euro.Guse hatte seinen Text "Pelusa" vorgelesen - Schilderungen eines Ich-Erzählers, der in einem unfertigen Haus mitten im Nirgendwo lebt. Ein Beitrag, der nachhallt, wie Jury-Mitglied Thomas von Steinaecker lobte. Gugiæ überzeugte mit dem Text "Junge Frau, undatiert", der einer Ich-Erzählerin in gesichtslose Räume folgt. Der dritte, ebenfalls mit 2500 Euro dotierte Preis ging an den Lyriker Martin Piekar (Jahrgang 1990) aus Bad Soden. Eine gute Wahl, denn seine Gedichte überzeugten durch Rhythmus, ironische Wendungen und starke Bilder. Über den "taz"-Publikumspreis schließlich durfte sich die Berlinerin Joey Juschka freuen. Ihr Text "Schaf e.V." nimmt Macho-Gehabe und stumpfsinnige Hartz-IV-Programme aufs Korn.

Insgesamt muss man jedoch im Bereich Prosa von einem durchschnittlichen Finalisten-Jahrgang sprechen. Eindeutig herausragende Texte fehlten. Und selbst die Gewinnertexte hoben sich stilistisch und formell kaum ab. Unter den 586 Prosa-Einreichungen, so konstatierte denn auch Daniel Beskos stellvertretend für die Lektoren, habe es nur "wenig Experimentelles" gegeben.

Anders im Bereich Lyrik: Unter den Gedicht-Beiträgen stachen neben denen Piekars auch die des Berliners Arne Vogelgesang (Jahrgang 1977) heraus. Vogelsang, ein stilsicherer Wortakrobat mit erfrischenden Bildern, hätte eindeutig auch einen Preis verdient. Auch wenn Christoph Buchwald, zuständig für die Lyrik-Auswahl, beklagte, dass unter den 48 Lyrik-Einreichungen keine gewesen sei, die sich mit Utopien beschäftigt habe.

Was allen Finalisten meisterlich gelang, war die Vortragsweise: klares, fehlerfreies, betontes Sprechen ohne theatralische Übertreibung. Zwischenzeitlich verfolgten über 450 meist junge Zuschauer das Geschehen im Heimathafen Neukölln, einer Location, die man erst in diesem Jahr aus Platzgründen gewechselt war. Das zeigte: Auch 20 Jahre nach seiner Gründung erfreut sich der "Open mike" offenbar noch größter Beliebtheit.

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