„Ich mag das Festival nicht“

Cannes · Das Festival in Cannes hat einen Favoriten: die Tragikomödie „Inside Llewyn Davis“ von den Coen-Brüdern. Auch gut: die Dokumentation „Seduced and Abandoned“ über das Filmgeschäft.

Der Filmproduzent poltert mit seiner Meinung über Cannes los. "Ich mag das Festival nicht", sagt Avi Lerner ("The Expendables"), den Alec Baldwin und Regisseur James Toback in ihrer verschmitzten Doku "Seduced and Abandoned" (Verführt und verlassen) treffen, einem Blick hinter die Kulissen des Festspiele. Dessen Filme, so holt der Produzent weiter aus, interessieren später kaum jemanden. "Höchstens die Mütter und Cousins der Regisseure."

In Cannes selbst allerdings ist die Aufmerksamkeit allein schon durch die 4500 Journalisten aus der ganzen Welt ungebrochen. Vor allem am Wettbewerb und natürlich, wenn von Clive Owen über Marion Cotillard bis Mila Kunis so verschwenderisch viele Stars wie im außer Konkurrenz gezeigten "Blood Ties" dabei sind. Regisseur Guillaume Canet hat seine Geschichte zweier gegensätzlicher Brüder zwar mit enormem Ausstattungsaufwand wie ein 1970er-Jahre-Crime-Drama aufgemotzt. Weil er sich aber letztlich überlang mit faden Genre- und Figurenstandards begnügt, funktioniert der Filme weder als Gangstergeschichte noch als Familienporträt.

Gefeiert hingegen wurden die Coen-Brüder, die es mit "Inside Llewyn Davis" in die New Yorker Folk-Szene der frühen 1960er Jahre verschlägt. Darin folgen sie einem Folkmusiker durch einige Episoden seiner erfolglosen Musikerkarriere. "Dass der Film keinen Plot hat, beunruhigte uns irgendwann", gab Joel Coen in Cannes zu. Es geht aber ohnehin vielmehr um die melancholische Stimmung der Songs, die die Coens immer wieder mit ihrem typischen Humor und einer Reihe exzentrischer Nebenfiguren brechen: John Goodman etwa als drogensüchtiger Jazzmusiker mit Topffrisur oder Popstar Justin Timberlake, der sein Talent als Folkbarde beweist. Der Coen-Film setzte sich sofort souverän an die Spitze der Kritikerspiegel. Doch die Konkurrenz ist bislang recht stark, mit einigen preiswürdigen Kandidaten: dem brutalen China-Gesellschaftsbild "A Touch of Sin" etwa. Oder der sensiblen Kindertausch-Geschichte "Like Father, Like Son" aus Japan. Egal, wer gewinnt: Siegerfotos mit der Goldenen Palme wird es geben. Denn die ist bei dem spektakulären Chopard-Juwelenraub in Cannes vor wenigen Tagen nicht gestohlen worden.

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