Garten Eden oder Apokalypse

Bonn. Science Fiction ist das Überraschungsei der populären Kulturthemen. Sie kommt als Roman oder als Film daher, als Architekturmodell oder als Gesellschaftsentwurf. Und den Alltag erobert hat SciFi auch längst. Nun ist sie sogar museumstauglich geworden

Bonn. Science Fiction ist das Überraschungsei der populären Kulturthemen. Sie kommt als Roman oder als Film daher, als Architekturmodell oder als Gesellschaftsentwurf. Und den Alltag erobert hat SciFi auch längst. Nun ist sie sogar museumstauglich geworden. Das Haus der Geschichte in Bonn wirft in seiner neuen Wechselausstellung - in einem "spacigen" Ambiente - einen Blick auf die Entwicklung der Science Fiction in Deutschland.

Nicht weniger als 600 Exponate bebildern ein Auf und Ab der Erwartungen, ein Hoffen und Bangen. Die Ausstellung versucht dem Blick in die Zukunft durch die Jahrzehnte immer auch die Zeitgeschichte zur Seite zu stellen, denn Science Fiction "ist stets ein Kind ihrer Zeit", sagt Kurator Jürgen Reiche. Dokumente, Fotos, Modelle und Objekte sowie Filmsequenzen und Hörstationen entfalten die diversen Facetten der Beschäftigung mit der Zukunft. Mit einem Joystick kann man kleine Bilder auf einem Weltall-Tisch "abschießen", die sich dann auf einem Monitor zeigen und ihre Informationen preisgeben - was einst auch eine Vorstellung der SciFi gewesen sein könnte.

Der Glaube an die Verbesserung der Welt durch technischen Fortschritt war das Ursprungsanliegen der Science Fiction. Davon ist nicht viel übrig geblieben. Beflügelt von der Industrialisierung hatte sich dieser Optimismus Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Die Erde war erforscht, also rückte der Weltraum als wichtigste Bühne der SciFi ins Blickfeld. Doch schon in "Metropolis" (1927) von Fritz Lang werden die Schattenseiten einer Welt der Zukunft, als radikal getrennte Zweiklassengesellschaft, ins Bild gesetzt.

Die Bonner Ausstellung erinnert mit der "Marsianischen Kampfmaschine" an den Alien-Film "Krieg der Welten". Der "Kosmokrator" steht als Symbol für die SciFi-Produktionen in der DDR. Nicht zuletzt der erste Mensch im Weltall, der Russe Juri Gagarin, hatte auch im anderen Teil Deutschlands die Fantasie beflügelt. Ein VW-Ingenieur baute eine fliegende Untertasse mit Propeller als Modell eines Volksflugzeugs - ohne Erfolg. 1961 erschien die erste Ausgabe von "Perry Rhodan". Es ging gleich zum Mond. Noch heute kommen Woche für Woche 85 000 Hefte an die Kioske. SciFi wird immer populärer trotz oder auch wegen Ungeheuern wie "Godzilla" und "Tarantula". Der Zukunftsoptimismus - in der Nachkriegszeit eher wenig ausgeprägt - wächst wieder. Legendär ist der Erfolg der "Raumpatrouille" in den 60er Jahren, den weder Bügeleisen und Eisportionierer als Raumschiff-Armaturen noch närrische Hampelmann-Tänze schmälern konnten. In beiden deutschen Staaten entstanden SciFi-Clubs - gegen die in der DDR die Stasi einschritt. Ihre Mitglieder grüßten sich mit "Ad astra", zu den Sternen. Science Fiction wurde alltagstauglich. Es gab Mode, Spielzeug und Haushaltsgeräte im "Space Look". Und in der DDR fuhr das Sandmännchen mit einer Rakete zum Mond.

In den 70er-Jahren war der visionäre Blick häufiger negativ gefärbt. "Die Grenzen des Wachstums", so der Titel einer viel diskutierten Club of Rome-Veröffentlichung, schienen in Sichtweite. Im Fernsehen nahm Wolfgang Menges "Millionenspiel" die schlimmsten Auswüchse des Reality TV vorweg, während Fassbinder in "Welt am Draht" der Wirklichkeit eine virtuelle Realität entgegenstellte, was an spätere Filme wie "Matrix" erinnert.

Drei-Streifen-Turnschuhe, auf denen in goldenen Lettern "Star" und "Wars" zu lesen ist, ein Wörterbuch "Klingonisch-Deutsch" oder das Darth-Vader-Outfit, das es sogar in eine VW-Werbung geschafft hat, bezeugen den Einzug der SciFi in die Populärkultur. "Star Trek" oder "The Day After Tomorrow", gutes Ende oder Katastrophe? Science Fiction in seinen subjektiven Sichtweisen wird es geben, solange die Welt existiert - und manchmal darf man sogar lachen über die Welt der Zukunft wie in "(T)Raumschiff Surprise". Die Realität holt die Science Fiction oft schneller ein als gedacht. Nur mit dem "Beamen" wird es wohl nichts mehr werden.

Bis 10. März. Dienstags bis freitags von 9 bis 19 Uhr. Sa/So und feiertags: 10 bis 18 Uhr.

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