Frankfurt streitet um Kult-Orte

Frankfurt. Es geht um einen alten Kinopalast und das direkt angrenzende ehemalige Wohnhaus der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt: Der aus den 50er Jahren stammende Gebäudekomplex am Eschenheimer Tor - mitten in Frankfurt - sorgt seit Wochen für heftige Diskussionen

Frankfurt. Es geht um einen alten Kinopalast und das direkt angrenzende ehemalige Wohnhaus der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt: Der aus den 50er Jahren stammende Gebäudekomplex am Eschenheimer Tor - mitten in Frankfurt - sorgt seit Wochen für heftige Diskussionen. Seitdem bekannt wurde, dass der "Turmpalast" wegen kostspieliger Brandschutzauflagen dichtmacht, haben gleich zwei Bürgerinitiativen in wenigen Wochen rund 6000 Unterschriften für den Erhalt gesammelt. Jetzt haben sich auch Prominente wie Frankfurts früherer Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (84) und Regisseur Volker Schlöndorff solidarisiert. Hinter der einen Initiative ("Save the Turmpalast") steht die große englischsprachige Community in Frankfurt, die um ihr Kult-Kino fürchtet. In den sieben Sälen werden nur Filme im englischen Original gezeigt. "Eine Schließung wäre für den kosmopolitischen Anspruch Frankfurts eine Blamage", sagte Schlöndorff vergangene Woche der "Bild"-Zeitung. Die zweite Gruppe ("Rettet das Turmkino") kämpft um noch mehr: "Der Gebäudekomplex muss erhalten bleiben. Das ist ein Stück Heimat", sagt der Architekt Kay Mack, der den Abriss beider Häuser befürchtet. Der Gründer der Initiative beklagt, dass die Innenstadt dank einer "Investoren-Architektur" dem Kommerz geopfert werde. Dass er in so kurzer Zeit so viele Unterstützer gewonnen hat, zeigt, dass er einen Nerv bei den Frankfurtern getroffen hat. "Mit dem Turmpalast würde nicht nur ein Stück Stadtgeschichte verschwinden, sondern auch ein Stück Architektur der 50er Jahre", gibt auch Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) zu bedenken. Denn "Turmpalast" und das Appartementhaus, in dem Deutschlands "Edelhure" 1957 unter nie geklärten Umständen ermordet wurde, gelten auch als Frankfurter Wahrzeichen - wie Messeturm oder Römer. Doch das bauwütige Frankfurt steht bundesweit im Ruf, mit seinem Gebäudebestand ziemlich gnadenlos umzugehen. Beim "Turmpalast" sehen sich die Stadtplaner nicht in der Pflicht, da es sich ja um eine Entscheidung eines Privateigentümers gehe, der die Investitionen in den Brandschutz scheue. Die Eigentumsverhältnisse der beiden Gebäude sind kompliziert. Für den Kino-Betrieb wurde jetzt eine Teillösung gefunden: Der Betreiber des "Turmpalasts", die Lübecker CineStar-Gruppe, will künftig in ihrem ebenfalls am Eschenheimer Turm gelegenen Multiplex-Kino Metropolis auch Filme im Original zeigen. Dafür hatte sich Kulturdezernent Semmelroth stark gemacht, der bei einem Wegfall der englischen Originalfilme wie Schlöndorff um das internationale Profil der Stadt fürchtete.Die Kreativen wandern ab Für Kay Mack ändert das nichts daran, dass in Frankfurt die Nischen für Kreativ- und Alternativkultur immer mehr zu verschwinden drohen. "Wenn Orte wie der "Turmpalast" zerstört werden, dann werden auch die Querdenker vertrieben", sagt er. Dabei ist es gerade die "Kreativklasse" - dazu gehören Künstler genauso wie Werbeagenturen -, um die Frankfurt im bundesweiten Standort-Wettbewerb mit anderen Metropolen buhlt. Weil Frankfurt so hohe Mieten hat und auch sonst ein teures Pflaster ist, wandern viele Künstler ins "hippe" und weit günstigere Berlin ab oder kommen erst gar nicht an den Main. Das Stadtparlament hat nun vor kurzem ein 1,35 Millionen Euro teures Programm aufgelegt, um mehr für Künstler und andere Kreative zu tun. Vor allem nicht mehr genutzte Erdgeschosszonen sollen in der Innenstadt der Kultur- und Kreativwirtschaft überlassen werden. "Das erhöht die Flanierqualität", hofft Semmelroth. Immerhin gilt der Kreativsektor mit 60 000 Beschäftigten und mehr als 8500 Unternehmen als bedeutender Hoffnungsträger für die Entwicklung der Stadt.

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