Ernesto Cardenal und die Schönheit der "Revolution von unten"

Saarbrücken. Da sitzt er mit seiner schwarzen Baskenmütze, unter der die weißen Haare hervorquellen: Ernesto Cardenal, der von sich selbst sagt: "Ich glaube an Jesus Christus, und ich bin Marxist." Er ist eine faszinierende Persönlichkeit, in der sich widersprüchlichste Talente zu Energie und Tatkraft vereinigen

Saarbrücken. Da sitzt er mit seiner schwarzen Baskenmütze, unter der die weißen Haare hervorquellen: Ernesto Cardenal, der von sich selbst sagt: "Ich glaube an Jesus Christus, und ich bin Marxist." Er ist eine faszinierende Persönlichkeit, in der sich widersprüchlichste Talente zu Energie und Tatkraft vereinigen. Als Theologe, Politiker und Schriftsteller gilt ihm grundsätzlich Humanität als oberste Handlungsmaxime.

Am Dienstag hat der 87-Jährige in der Saarbrücker Pfarrkirche St. Paulus vor vollem Haus aus seinem poetischen Lebenswerk gelesen, das in deutscher Übersetzung jüngst unter dem Titel "Aus Sternen geboren" erschienen ist. Hilfestellung bietet ihm die sechköpfige Band Grupo Sal, die nicht nur mit zündenden südamerikanischen Klängen unterhält, sondern auch seine spanischen Worte deutsch rezitiert.

Es reißt mit, wie stimmstark Cardenal immer noch seine Poeme zu formen versteht. Diese Gedichte haben Pfeffer. Sie sind vollgepfropft mit politischem Zündstoff und bringen gesellschaftliche und allgemein menschliche Probleme auf den Punkt. Cardenal, der als katholischer Priester den Freiheitskampf seiner nicaraguanischen Landsleute gegen die Somoza-Diktatur politisch aktiv begleitete, hat Dichtung immer als Mittel betrachtet, die "Revolution von unten" zu unterstützen. Dies allerdings nicht im Sinne plakativer "Arbeiterdichtung". Seine Poeme verbinden elegant lyrischen Wohlklang, Formkraft und gedankliche Tiefe zu ästhetisch bedeutenden Preziosen.

Cardenals Lyrik überrascht mit formaler Vielgestaltigkeit. Epigrammatische Liebesgedichte aus seiner Frühzeit, psalmartige größere Einheiten oder mehrstrophige zyklische Bauten wechseln einander ab. Als Zentralwerk seiner Spätzeit bietet Cardenal Auszüge aus den großen Epen "Gesänge des Universums" und "Zyklus der Sterne", in denen er christliches Gedankengut und naturwissenschaftliche Redlichkeit in Einklang zu bringen versucht. Mit einigen originellen gesellschaftskritischen Alters-Gedichten schließt er seine beeindruckende Lesung ab.

Ernesto Cardenal: Aus Sternen geboren. Das poetische Werk. Zwei Bände, Peter Hammer Verlag, 1119 Seiten, 56 Euro.

Foto: SZ

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