Der Rätselreiche

Saarbrücken. Übergroße Augen, ein stoisch unergründlicher Blick, glatte Gesichter - Benjamin Lacombe zeichnet bleiche Wesen von ungesund wirkender Schönheit. Eine Aura angekränkelter Nostalgie umgibt sie. Auf einem Foto könnte man den jungen Pariser Illustrator durchaus für eine seiner Figuren halten

 Die Stiefmutter aus "Schneewittchen". Foto: Jacoby & Stuart

Die Stiefmutter aus "Schneewittchen". Foto: Jacoby & Stuart

Saarbrücken. Übergroße Augen, ein stoisch unergründlicher Blick, glatte Gesichter - Benjamin Lacombe zeichnet bleiche Wesen von ungesund wirkender Schönheit. Eine Aura angekränkelter Nostalgie umgibt sie. Auf einem Foto könnte man den jungen Pariser Illustrator durchaus für eine seiner Figuren halten. In Frankreich und Spanien feiert man seine düster romantischen Werke, zeigt sie auf Ausstellungen. Sein Stil, ein Mix aus Altmeisterlichem, sanfter Groteske und Manga-Anklängen, besitzt rätselhafte Anziehungskraft.Hierzulande entdeckt man Lacombe gerade. Im Berliner Jacoby & Stuart Verlag sind bislang drei seiner Bücher erschienen. Er hat Edgar Allan Poes "Unheimlichen Geschichten" illustriert, "Schneewittchen" der Brüder Grimm, Sébastien Perez' "Lisbeth, die kleine Hexe" und den "Hexenalmanach". Lacombe arbeitet meist mit Ölfarbe und Gouache; auch Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die teils an Edward Gorey erinnern, finden sich in seinen Büchern. In Poes "Unheimlichen Geschichten" entwickelt er einen Stil, der frappant an Daguerreotypien erinnert. Die bald dahinscheidende "Berenice" und Cousin Egaeus schauen verschattenden Blicks aus einem Rahmen, im trüb verwischt wirkenden Familienporträt mit unseliger Tiergemeinschaft zum "Schwarzen Kater" ist drohendes Unglück spürbar.

Stets scheint ein Verhängnis über Benjamin Lacombes Figuren zu schweben, ihre Körper wirken statisch, in einem Augenblick bodenloser Traurigkeit gefangen. Kindliche Antlitze suggerieren Unschuld, die schon dem hinterhältig Abgründigen verfallen ist. Wie ein maßgeschneiderter Anzug passt Lacombes Stil zu Poes Horror und zu Grimms Märchen. Schneewittchens Giftapfel zeigt er als Karikatur mit Frauengesicht, die blühende Jungfer schmilzt in blutroter Lache dahin. Die garstige Stiefmutter trägt Medusenhaupt und Pfauenkörper, eine Schreckgestalt ungebremster Gier und Herzenskälte. Rundköpfig, rotäugig zeichnet Lacombe Tiere, halb niedlich, halb furchterregend, als seien sie rätselhafte Spielzeuge mit unkontrollierbarem Eigenleben. Seine Originale zu "Schneewittchen" werden zur Kinder- und Jugendbuchmesse in der K4 galerie ausgestellt.

An der Pariser "Ecole nationale supérieure des arts décoratifs" hat Lacombe, Jahrgang 1982, studiert, als Werbe- und Comiczeichner gearbeitet, nunmehr an die 20 Bücher illustriert, einige auch selbst getextet. "Cerise Griotte" über eine verschlossene Kleine und ihren Hund, erschien 2006 bei Seuil Jeunesse, das erste Buch bei dem Lacombe auch Autor ist. Etliche Werke hat er mit Sébastien Perez zusammen entwickelt, der "Hexenalmanach" versammelt dem Absurden huldigende Mythen von Lilith, Isis oder Yama Uba. In Lacombes Porträts zu diesen Schreckensfrauen sehen selbst die Farben aus, als schlügen sie jeden Moment ins Giftige um - es ist der schwefelgelbe Ton hereinbrechender Finsternis.

Termine: Ausstellungseröffnung "Märchenhaft", K4 galerie mit Originalen von zwölf Illustratoren an diesem Freitag, 19 Uhr, Karlstr. 4. Samstag. 12. Mai, 16 Uhr: Signierstunde mit Benjamin Lacombe.

graphicnovel.xmlab.org

buchmesse-saarbruecken.eu

 Illustrator und Texter Benjamin Lacombe. Foto: Matthieu Dortomb

Illustrator und Texter Benjamin Lacombe. Foto: Matthieu Dortomb

benjaminlacombe.com

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