Karfreitag ist Fischtag

Homburg · An Karfreitag fastet man. Oder man isst Fisch. Woher kommt diese Tradition? Melanie Flatter vom gleichnamigen Homburger Fischgeschäft hat beobachtet, dass die Menschen an Karfreitag immer noch gerne die kirchliche Fisch-Regel befolgen.

 Wolfsbarsch auf grünem Spargel – einerseits ein Fastenessen, andererseits eine Delikatesse. Soll man an Karfreitag Verzicht üben oder statt Fleisch einfach nur Fisch essen? Das muss jeder für sich entscheiden. Wer gläubig ist, verzichtet gänzlich aufs Essen.Foto: Reinhard

Wolfsbarsch auf grünem Spargel – einerseits ein Fastenessen, andererseits eine Delikatesse. Soll man an Karfreitag Verzicht üben oder statt Fleisch einfach nur Fisch essen? Das muss jeder für sich entscheiden. Wer gläubig ist, verzichtet gänzlich aufs Essen.Foto: Reinhard

Foto: Reinhard
 Das Blatt „Jesus wandelt auf dem See Genezareth“ aus dem Codex Aureus Escorialensis aus dem 11. Jahrhundert wird im Historischen Museum der Pfalz in Speyer aufbewahrt. Auch in dieser alten Handschrift ist die Bedeutung der Fische deutlich zu sehen. Foto: Museum

Das Blatt „Jesus wandelt auf dem See Genezareth“ aus dem Codex Aureus Escorialensis aus dem 11. Jahrhundert wird im Historischen Museum der Pfalz in Speyer aufbewahrt. Auch in dieser alten Handschrift ist die Bedeutung der Fische deutlich zu sehen. Foto: Museum

Foto: Museum

Kirchliche Rituale, die seit Jahrhunderten in Europa gepflegt werden, überstehen, wie man an Karfreitag sieht, auch moderne Zeiten. Derzeit sichert der eher weltliche Gesundheitsaspekt den alten Traditionen das Überleben. Die 40-tägige Fasten-Zeit bis Ostern wird zu einer willkommenen Gelegenheit der Gewichtsreduktion umfunktioniert, der Karfreitag, ein traditioneller Fastentag der Katholiken, wird in den "gesunden Fischtag" verwandelt.

Nun kann man einerseits beklagen, dass diese einst so wichtigen Tage im Kirchenjahr auf diese Weise ihre Spiritualität eingebüßt haben, andererseits ist es aber doch erstaunlich, wie flexibel sich uralte Rituale erweisen. "Bei uns ist jedes Jahr an Gründonnerstag eine erhöhte Nachfrage nach Fisch zu verzeichnen," betont Melanie Flatter, Inhaberin des gleichnamigen Homburger Fischgeschäftes.

Besonders begehrt sei der Kabeljau, "die schönen, dicken Filets, die wir aus Island beziehen und die sehr zart und schmackhaft sind". Nun hört sich das irgendwie nicht so wirklich nach Fasten, sondern eher nach einem richtig guten Essen an. Dazu kann Melanie Flatter nur schmunzeln: "Also, die meisten Kunden braten diese Filets und sind davon begeistert." Aber warum soll's an Karfreitag nicht schmecken?

Schon im Mittelalter gab es in den Klöstern ausgefeilte Lösungen, die religiösen Essens-Regeln zu verbiegen: man sündigte zwar nicht, musste sich aber auch nicht in Verzicht üben.

Ein Beispiel dafür war der Biber, der in Europa auch deshalb getötet wurde, weil er wegen seiner schuppigen Schwanz-flosse als Wassertier definiert wurde, wie der Neunkircher Zoodirektor Norbert Fritsch erläuterte: "Und deshalb galt der Biber als eine Art Fisch und durfte in der Fastenzeit verspeist werden, obwohl die Menschen in Wahrheit einen handfesten Braten auf dem Tisch stehen hatten."

Es gibt aber noch einen anderen Grund, an Karfreitag Fisch zu essen, denn der Fisch ist eines der ältesten Symbole, mit dem sich schon die frühen Christen zu erkennen gaben: Fisch heißt auf griechisch "Ichthys". Das sind die Anfangsbuchstaben von "Iesos Christos Theou Yios Soter" (Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter). Wem es ein Bedürfnis ist, am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu zu gedenken, klinkt sich ohnehin aus der kein-Fleisch-sondern-Fisch-Vorschrift aus und fastet den ganzen Tag über. Denn bis heute gilt der Karfreitag in der katholischen Kirche als strenger Fastentag: Katholiken zwischen 18 und 60 Jahren ist am Karfreitag nach der strengen Auslegung der Fastenregel nur eine einmalige Sättigung erlaubt. Ursprünglich durfte man an diesem Tag überhaupt nichts essen oder trinken.

Wolfgang Schmitz vom Bexbacher Fischmarkt verkauft für den Karfreitagstisch ebenfalls vornehmlich Kabeljau- und Seelachsfilets, doch er beobachtet eher einen Rückgang der Bestellungen für diesen Tag: "Vor vier, fünf Jahren hatten wir deutlich mehr Nachfragen, das beobachten auch die Großhändler. Die großen Bestellungen vor Ostern werden weniger." Das liege auch daran, dass viele Kunden in Urlaub fahren, vermutet Schmitz.

Er hat aber auch beobachtet, dass nach dem fetten österlichen Lamm- oder Geflügelbraten wieder der Appetit auf leichtere Kost ansteigt: "Ab Ostermontag bevorzugen die Leute wieder fettarme Gerichte". Dann kommen gekochte Forellen, gegrillte Riesengarnelen oder Seezungenröllchen auf die Homburger Tische. Dafür hält Schmitz ein Spezialitäten-Büffet vor: "Da kann sich jeder etwas aussuchen." Die Karfreitags-Tradition mit dem Fisch-Gericht sieht er eher im Abwind: "Der Rückgang der großen Bestellungen legt nahe, dass diese Tradition bei jüngeren Leuten verschwindet."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort