Lettow-Vorbeck-Straße bleibt in der Diskussion

Saarlouis. Nur ein Stadtratsmitglied namens Fischer mochte am 31. August 1956 dagegen stimmen, General Paul Emil von Lettow-Vorbeck die Ehrenbürgerrechte zuzuerkennen. 33 Mitglieder folgten der Stadtverwaltung und stimmten zu. Sie würdigten so "den genialen Feldherr des Ersten Weltkrieges und Führer der Schutz-Truppe in Ostafrika"

Saarlouis. Nur ein Stadtratsmitglied namens Fischer mochte am 31. August 1956 dagegen stimmen, General Paul Emil von Lettow-Vorbeck die Ehrenbürgerrechte zuzuerkennen. 33 Mitglieder folgten der Stadtverwaltung und stimmten zu. Sie würdigten so "den genialen Feldherr des Ersten Weltkrieges und Führer der Schutz-Truppe in Ostafrika". "Im Felde unbesiegt" sei er gewesen, hieß es zur Begründung. Und: Gerade "Eingeborene" hätten ihm die Treue bewahrt und "damit die Argumente unserer ehemaligen Gegner Lügen gestraft, Deutschland könne keine Kolonien verwalten." Eine Tafel in der Silberherzstraße zeigt sein Geburtshaus an. Eine Saar-Brücke und eine Straße wurden nach ihm benannt.Paul Emil von Lettow-Vorbeck wurde 1870 in Saarlouis geboren, stammte aber aus einem pommerschen Adelsgeschlecht, das im 19. Jahrhundert ein halbes Dutzend Generäle hervorbrachte.

Drei Jahrzehnte nach der Ehrung durch seine Geburtsstadt regten sich Zweifel. In der Ratsperiode 1984 bis 1989 erreichten die Grünen, dass die Lettow-Vorbeck-Brücke umbenannt wurde. Sie heißt seitdem Peter-Neis-Brücke. Die Ehrenbürgerwürde war ohnehin mit dem Tode des Generals 1964 erloschen.

Wieder aufgeflammt ist die Diskussion, nun zur Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Straße, spätestens vor zwei Jahren, als der Historiker Uwe Schulte-Varendorff aus Osnabrück im Theater am Ring "Korrekturen" am Bild des preußischen Generals vornahm. Da stand der Völkermord 1904 an rund 60 000 Herero und Nama im Blickpunkt, die damals "Hottentotten" genannt wurden in Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia. Daran habe Lettow-Vorbeck als Freiwilliger teilgenommen. Im Ersten Weltkrieg befehligte er als Kommandeur der "Schutztruppe" für Deutsch-Ostafrika zwangsrekrutierte Afrikaner, von denen laut Varendorff 100 000 auf einem Plünderungsmarsch starben.

Widersprüchlich

Der Mythos Lettow-Vorbecks als unbesiegter, ritterlicher General sei 1918 enstanden, nach dem Waffenstillstand in Europa. 1920 nahm Lettow-Vorbeck am reaktionären Kapp-Putsch gegen die junge Weimarer Republik teil. Widersprüchlich war später sein Umgang mit den Nazis, ebenso widersprüchlich der Umgang der Bundesrepublik mit ihm.Den Vortrag vor zwei Jahren hatten die Aktion 3. Welt, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Stiftung Demokratie Saarland organisiert. Unter anderem der Heimatforscher Hans-Peter Klauck sprach sich im Anschluss dafür aus, die Straße anders zu nennen.

Seitdem wird eine Umbenennung in allen politischen Lagern diskutiert. Eine Mehrheit für eine Umbenennung sei zu Zeiten der Großen Koalition im Rat noch nicht in Sicht gewesen, sagt Grünen-Fraktionschef Gabriel Mahren. Im neuen Rat zeichnet sich nun eine Mehrheit ab.

Auch Gegner einer Umbenennung melden sich. So verteidigt der Dillinger Wirtschaftsberater Norbert Breuer-Pyroth Lettow-Vorbeck als "einen aufrechten, vaterlandsliebenden Konservativen und Offizier". Andere fragen in der Debatte, die sich in Leserbriefen unserer Zeitung spiegelt, ob man, wenn Lettow-Vorbeck, dann auch Vauban oder Karl oder Wilhelm und anderen die Straßen-Ehre aberkennen müsste. Man solle dann lieber alles beim Alten lassen.

Voraussichtlich in der nächsten Sitzung am 18. Dezember befasst sich der Rat mit einer Umbenennung.

Meinung

Meinungen ändern sich

Von SZ-RedakteurJohannes WerresStraßen benennen und Ehrenbürger aussuchen ist Ergebnis einer Meinungsbildung zu einer bestimmten Zeit. Es verpflichtet niemanden auf ewig. Kommt eine spätere Meinungsbildung zu anderen Ergebnissen, ist das in Ordnung und zeugt von Lebendigkeit. Vor allem, wenn es nicht an Courage fehlt, das neue Ergebnis auch in eine Tat umzusetzen.

Historiker haben ein neues Licht auf Paul von Lettow-Vorbeck geworfen. Er war ein Haudegen genau der Sorte, die wir heute schlicht ablehnen: moralisch, politisch, völkerrechtlich. Besonders in Saarlouis, einer deutschen Garnisonsstadt wie zu Lettow-Vorbecks Zeiten, ist das vor dem Hintergrund von Auslandseinsätzen der Bundeswehr eben nicht egal.

Die Fragen sind letzlich ganz einfach: Was ehrt Saarlouis eigentlich an Lettow-Vorbeck? Und was an ihm lehnt Saarlouis ab? Und was folgt aus beiden Antworten?

Meinungsbildung ist allerdings kein Völkerrechtstribunal, sondern Argumentation im Einzelfall: Deswegen könnte eine Entscheidung zu Lettow-Vorbeck auch nicht automatisch etwa auf Vauban übertragen werden, obwohl auch zu diesem Namensgeber einer Straße neben vielem ein Offensiv-Krieg gehört.

Courage übrigens würde auch beweisen: Erstens, die Tafel am Geburtshaus lassen, als ein Zeugnis der Geschichte dieser Stadt. Zweitens, eine Umbenennung nicht zwanghaft in ein vermeintliches Täter-Opfer-Schema pressen.

Zur Person

Paul Emil von Lettow-Vorbeck (1870 bis )Der Stadtrat von Saarlouis verlieh mit 33 gegen eine Stimme "dem genialen Feldherr des ersten Weltkrieges und Führer der Schutz-Truppe in Ostafrika" am 31. August 1956 die Ehrenbürgerrechte. "Im Felde unbesiegt" sei er gewesen, hieß es zur Begründung. Und: Gerade "Eingeborene" hätten ihm die Treue bewahrt und "damit die Argumente unserer ehemaligen Gegner Lügen gestraft Deutschland könne keine Kolonien verwalten." we

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