Hoher Besuch an der Basis

Überherrn · Die deutschen Weltmeister steuern klar auf Kurs WM 2018. Bundestrainer Joachim Löw hat bei seinen Spielern nach den Siegen gegen Tschechien (3:0) und Nordirland (2:0) noch einmal eine Entwicklung festgestellt.

 Gruppenbild mit Präsident: DFB-Präsident Reinhard Grindel (Mitte), Überherrns Vereinschef Bernhard Bauer (links) und Franz-Josef Schumann (rechts), der Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, mit Jugendlichen des SSV Überherrn. Fotos: Schlichter

Gruppenbild mit Präsident: DFB-Präsident Reinhard Grindel (Mitte), Überherrns Vereinschef Bernhard Bauer (links) und Franz-Josef Schumann (rechts), der Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, mit Jugendlichen des SSV Überherrn. Fotos: Schlichter

Der Mercedes war ein schwarzer, der gestern um 14 Uhr im Waldstadion des SSV Überherrn vorfuhr. Keiner der ganz dicken. Ein kleiner. Dennoch schauten etwa 50 Vereinsmitglieder auf die Karosse mit Stuttgarter Nummernschild. Außerdem wartete fast die komplette Führungsriege des Saarländischen Fußballverbandes (SFV), angeführt von Präsident Franz-Josef Schumann. Kein Wunder. Schließlich stieg aus dem Auto Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen-Fußballbundes (DFB). Er fuhr selbst, reiste ohne Entourage an, um der Heimat des Nationalspielers Jonas Hectors und des U21-Trainers Stefan Kuntz einen Antrittsbesuch abzustatten. "Ich bin überwältigt von dem freundlichen Empfang. Ich dachte, nur der Vorstand des SFV und des Vereins begrüßen mich hier und reden mit mir über ihre Probleme." So sei es "eine große Wertschätzung" für den 55-Jährigen, der seit 15. April Chef des größten Sportverbandes der Welt ist.

Der Grund seines Besuches: Grindel will an die Wurzeln des Fußballs: "Wenn wir ein Wochenende Bundesliga geschaut haben, haben wir neun Spiele gesehen. Wenn der deutsche Fußball ein Spielwochenende hinter sich gebracht hat, haben wir 80 000 Spiele gesehen." Fußball sei "durch und durch ehrenamtlich geprägt. Wir haben 25 000 Vereine in Deutschland. Das ist unser Fundament, auf dem auch die Nationalmannschaft steht. Die meisten Spieler haben in kleinen Vereinen begonnen, Fußball zu spielen. Ehrenamtliche Übungsleiter haben sie entdeckt, gefördert und ausgebildet", erklärte Grindel. Daher sei es wichtig zu wissen "wie man diesen Vereinen helfen kann". Umgekehrt sei es so, dass auch die Bundesliga und die Nationalmannschaft Kinder für den Fußball begeistere und in die Vereine treibe, da sie dort ihren Idolen nacheifern können. "Beides gehört zusammen. Um unsere Arbeit besser zu machen, sind wir vor Ort, um uns die Probleme anzuhören."

Die sind in Überherrn nicht anders als in vielen Vereinen auch. Es fällt ihnen immer schwerer, Ehrenamtliche zu finden. Genug Jugendspieler aufzutreiben, ist bei einem stets steigenden Freizeitangebot nicht einfach. "Es ist schwierig, aber bei uns funktioniert das noch" sagt Bernhard Bauer, Vorsitzender des Tabellenführers der Landesliga West. Alle Jugendmannschaften habe der SSV besetzt, auch die drei Aktivenmannschaften seien personell gut ausgestattet.

Dies aber auch, weil der Verein sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Für 25 Syrer, die im Ort leben, hat der Verein mit Karl-Heinz Francois einen ehemaligen Trainer gefunden, der die sie drei Monate trainierte. "Es fehlte etwas die Grundausbildung", sagt Bauer. Inzwischen sind die Flüchtlinge in den Spiel- und Trainingsbetrieb voll eingebunden. Eine "ganz tolle Geschichte" wie Bauer findet: "Sie helfen auch bei Dorffesten an unseren Ständen. Die Integration läuft sehr gut."

Auch Grindel sieht und lobt die integrative Kraft der Amateurfußball-Vereine. Der DFB habe daher das Spielerpassrecht angepasst, ermöglicht den Flüchtlingen, schnell für die Vereine zu spielen. "Wir in der vergangenen Saison etwa 40 000 Flüchtlinge mit Spielerpässen ausgestattet." Eine bessere "Integrationshilfe wie den Fußball gibt es kaum", sagen auch Schumann und Bauer.

Ein Problem fernab der Flüchtlingsproblematik ist das, dass die saarländischen Spitzenvereine derzeit haben: Der Meister der Regionalliga steigt nicht direkt auf: Sowohl der 1. FC Saarbrücken als auch die SV Elversberg scheiterten bereits in der Relegation. Grindel kennt die Problematik. Eine Kürzung von fünf auf drei Regionalligen würde zwar die Relegation hinfällig machen, da der Meister wieder direkt aufsteigen könnte, doch: "Wir würden noch weniger Oberliga-Vereine haben, die die Aufstiegsrunde zur Regionalliga spielen wollen. Wir hatten in Hamburg mit Altona 93 einen Verein, der die Aufstiegsrunde spielen wollte. Er wurde Sechster." Die ersten fünf hatten kein Interesse an einem Aufstieg. Je weniger Ligen, desto höher seien Reise- und Personalkosten. "Natürlich gibt es Aachen, Saarbrücken, Offenbach, Hessen Kassel - die sehen sich ja alle als halbe Zweitligisten. Aber es gibt eben auch die anderen Vereine , die würden sofort die Segel streichen, wenn sie in einer drei- oder viergleisigen Regionalliga mitspielen sollen. Ich sehe das Problem, aber von allen schlechten Lösungen ist die, die wir jetzt mit den fünf Ligen haben, noch die Beste."

Nicht das beste Image hat derzeit die Funktionärswelt. Die Skandale bei Fifa, Uefa und auch der WM-Vergabe-Skandal haben die Funktionäre in ihre bisher wohl größte Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Daher hat Grindel Änderungen geplant, die Anfang November beim DFB-Bundestag beschlossen werden sollen. Die Kontrollmechanismen will er stärken, eine Ethikkommission einführen, den Geschäftsbetrieb in eine Gesellschaft auslagern und vom gemeinnützigen Bereich stärker trennen. "Aber offen gesagt, ist es auch eine Frage, die Werte vorzuleben", sagt Grindel, "da hat es in der Vergangenheit Probleme gegeben. Wir wollen deutlich machen, dass wir den Verband anders führen." Zumindest fuhr er nach drei Stunden in seinem kleinen Benz Richtung Frankfurt.Als sich Bundestrainer Joachim Löw gestern von seinen Spielern verabschiedete, tat er dies mit einem sehr guten Gefühl. Seine Mannschaft stürmt der WM 2018 im Rekordtempo entgegen, die Gier des Weltmeisters ist wieder geweckt. "Wir haben inzwischen eine unglaubliche Dominanz in unserem Spiel erreicht", sagte Löw nach dem mühelosen 2:0 (2:0)-Erfolg gegen Nordirland in Hannover und attestierte seinem Team noch einmal eine Weiterentwicklung seit dem Halbfinal-Aus bei der EM.

Die leisen Zweifel im Vorfeld des Qualifikations-Doppelpacks gegen Tschechien (3:0) und Nordirland sind somit zerstreut. Auf dem Weg zur WM nach Russland will sich der Titelverteidiger durch nichts und niemanden stoppen lassen. Man wolle die Qualifikation "gnadenlos durchziehen", kündigte Löw nach den überzeugenden Erfolgen gegen die vermeintlich stärksten Gegner an.

Diese erkennen die Überlegenheit der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an. "Ich zweifle daran, dass es weltweit eine Mannschaft gibt, die diese deutsche Mannschaft aufhalten kann", sagte der nordirische Trainer Michael O'Neill: "Deutschland wird die Gruppe ganz klar gewinnen."

Einzig Außenseiter Aserbaidschan (7 Punkte) kann mit dem DFB-Team (9), das durch Julian Draxler in Führung gegangen war (13. Minute), derzeit noch halbwegs Schritt halten. Das soll sich aber bald ändern. "Man spürt eine absolute Entschlossenheit, einen guten Teamgeist und die Lust auf Erfolge", sagte der gegen die Nordiren nicht nur wegen seines Tores (17.) überragende Sami Khedira .

Souveräne Siege gegen die zweite Kategorie an Gegnern sind nicht selbstverständlich, wie die holprige EM-Qualifikation gezeigt hat. Der vierte Sieg ist im nächsten Quali-Spiel in San Marino (11. November) ist aber fest eingeplant, das Länderspieljahr endet dann vier Tage später mit dem Klassiker in Mailand gegen Italien. Löw kündigte für diese beiden Begegnungen Veränderungen an. Einige erfahrene Spieler werden eine Pause erhalten, jüngere wieder reinrücken. "Wir müssen den Spagat schaffen und uns überlegen, wann man junge Spieler einbaut", sagte Löw. Khedira forderte gar, dass man es so hinbekommen müsse, dass man 2018 "zwei Top-Mannschaften" habe. Im defensiven Mittelfeld gibt es in Khedira, Toni Kroos und Ilkay Gündogan schon jetzt drei Topspieler für zwei Positionen.

 SZ-Redakteur Michael Kipp im Gespräch mit DFB-Präsident Reinhard Grindel.

SZ-Redakteur Michael Kipp im Gespräch mit DFB-Präsident Reinhard Grindel.

 Sami Khedira, Thomas Müller, Toni Kroos und Joshua Kimmich (von links) bedanken sich bei den Fans in Hannover. Foto: Gentsch/dpa

Sami Khedira, Thomas Müller, Toni Kroos und Joshua Kimmich (von links) bedanken sich bei den Fans in Hannover. Foto: Gentsch/dpa

Foto: Gentsch/dpa

Nachdem erstmals in einer Qualifikation die ersten drei Spiele ohne Gegentor absolviert worden sind, geht der Blick nur nach vorne. Anlässlich der Auslosung des Confed Cups (im kommenden Sommer) reisen Löw und Teammanager Oliver Bierhoff bereits im November nach Russland. "Wir schauen uns da jetzt schon um, machen uns jetzt schon schlau, so viel Selbstvertrauen haben wir", sagte Bierhoff.

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