„Zu keinem Zeitpunkt habe ich ihn erpresst“

Saarbrücken · Die Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken am Dienstag war unerwartet spektakulär. Ein Mitglied warf Vizepräsident Sebastian Pini vor, er habe ihn manipulieren wollen, damit er „richtig“ abstimme.

 FCS-Präsident Hartmut Ostermann (links) und Sebastian Pini stecken die Köpfe zusammen. Fotos: Andreas Schlichter

FCS-Präsident Hartmut Ostermann (links) und Sebastian Pini stecken die Köpfe zusammen. Fotos: Andreas Schlichter

Am Tag danach fühlte sich Adnan "Addi" Fazlic "echt beschissen". Dabei ist er kein zimperlicher Mensch. Nein, er ist Chef der US01. Eine Ultragruppe, die den Fußball-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken unterstützt und auch schon durch das Abbrennen von Pyrotechnik auffiel. Zuletzt flogen am 25. November 2014 beim Heimspiel gegen den FC Homburg Silvesterraketen aus der Kurve der US01 in den Saarbrücker Abendhimmel.
Freispruch vom Stadionverbot

Der DFB fand das wenig lustig und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 10 750 Euro gegen den Verein. Der wiederum verdonnerte Fazlic daher zunächst zu fünf Jahren Stadionverbot . Doch Fazlic schoss die Raketen nicht ab, wie er sagt und wie es Videoaufnahmen beweisen sollen. "Daher wurde ich von Peter Becker, dem Sicherheitsbeauftragten des FCS, freigesprochen", sagte Fazlic gestern. Die 10 750 Euro "wollten wir dennoch aus der Gruppe heraus zahlen". Freiwillig, ohne Rechtsanspruch des FCS.

Das war Stand der Dinge "bis vergangene Woche Freitag", sagte Fazlic. Da soll Sebastian Pini, der Vizepräsident des 1. FC Saarbrücken , ihn angerufen und ihm zu verstehen gegeben haben: Wenn du und 50 Fanclub-Mitglieder am Dienstag in der Mitgliederversammlung gegen den Antrag von Meiko Palm stimmen, erlasse ich euch die 10 750 Euro. Wenn nicht, zahlst du das Geld alleine und es gibt noch fünf Jahre Stadionverbot obendrauf. Palm stellte auf der Versammlung den Antrag, dass die Vereinsführung die Profiabteilung nicht ohne Dreiviertel-Mehrheit einer Mitgliederversammlung ausgliedern darf.

Fazlic verstand die Welt nicht mehr. Er war doch freigesprochen? Es soll weitere Treffen mit Pini gegeben haben. Fazlic sagte, er sei zum Schein eingegangen - und ein Freund habe ein Telefongespräch zwischen Pini und Fazlic aufgezeichnet. Das Band soll die Aussagen Fazlics belegen.
Aufnehmen oder erpressen?

Dass das Aufzeichnen von Telefonaten ohne Einverständnis eine Straftat ist, ist Fazlic bewusst. "Aber was ist schlimmer: das Aufnehmen oder das Erpressen?", sagte er. Daher ging Fazlic am Dienstag zur Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken und erklärte allen: "Ich bin erpresst worden." Vom Vizepräsidenten des 1. FC Saarbrücken . Von Sebastian Pini. Wegen Stimmen.

Pini ließ die Vorwürfe wortlos über sich ergehen. FCS-Aufsichtsratschef Michael Arnold spitzte die Ohren, FCS-Präsident Hartmut Ostermann verzog das Gesicht. "Wir haben auf Grund der Soundanlage nur schwer verstehen können, was Herr Fazlic gesagt hat", erklärte Arnold gestern. Doch die Vorwürfe kamen letztlich an. Sind sie auch glaubhaft? "Ich habe nur 80 Prozent hören können", sagte Arnold, "aber da war wohl schon einiges Substanzielles dran". Wohl auch, weil FCS-Sicherheitschef Peter Becker in der Versammlung seinen Rücktritt ankündigte für den Fall, dass die Sache nicht geklärt wird. "Die Sache wird in den zuständigen Vereinsgremien mit meiner Mithilfe zeitnah und vor allem lückenlos aufgeklärt", sagte FCS-Präsident Ostermann gestern. Dabei lehnt er aber eine Diskussion um mögliche Folgen ab. Ostermann weiter: "Erst betreiben wir Aufklärung, danach beraten wir über notwendige Maßnahmen."

Pini sagte gestern zur SZ nur einen Satz: "Zu keinem Zeitpunkt habe ich diesen Mann erpresst." Arnold hatte gestern ebenfalls kurz mit ihm sprechen können, "aber auch nicht zur Sache an sich", sagte Arnold. Sie hätten nur vereinbart, sich noch vor dem Wochenende zu einem Vier-Augen-Gespräch zu treffen. Arnold sei es wichtig, "beide Seiten gehört zu haben".
Viele offene Fragen

Die Fragen, die nun offen sind, lauten: Hat Pini versucht, Fazlic zu nötigen? Wenn ja, war es seine Idee? Muss die Abstimmung, die Palm verlor, wiederholt werden? Und: Warum hätte Pini die Abstimmung manipulieren sollen? Die Frage nach einem Motiv ist eine schwierige. Schließlich ging es bei der Abstimmung nur darum, in die Satzung zu schreiben, was das Umwandlungsgesetz eh vorschreibt: 75 Prozent der Mitglieder müssen mit einer Ausgliederung einverstanden sein. Ob der Verein auch einen Weg ohne Befragung kennt? Fest steht: Sollte Pini nicht zurücktreten, wenn der Aufsichtsrat das will, kann dieser eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, auf der Pini abgewählt werden könnte.
Kontinuität ist das Zauberwort bei den Kickers

 Meiko Palm trägt seinen Antrag vor, der am Ende nicht die erforderliche Stimmenzahl erhielt. Ob er ihn noch mal stellen wird, ist offen.

Meiko Palm trägt seinen Antrag vor, der am Ende nicht die erforderliche Stimmenzahl erhielt. Ob er ihn noch mal stellen wird, ist offen.

 Adnan Fazlic bei seiner Wortmeldung bei der Versammlung.

Adnan Fazlic bei seiner Wortmeldung bei der Versammlung.

Fußball-Regionalliga Südwest: Tabellenführer Offenbach ist bisher nicht aufzuhalten - "Gierig und getrieben von Erfolg"

Der 1. FC Saarbrücken und die SV Elversberg hoffen, dass Spitzenreiter Kickers Offenbach morgen beim FC Homburg stolpert. Die Hessen kommen mit breiter Brust - sie haben bisher eine Saison wie gemalt gespielt.

Die Hinrunde in der Fußball-Regionalliga Südwest lief für die Offenbacher Kickers fast perfekt. Wie ein geübter Skifahrer auf fluffigem Neuschnee rauschte der OFC durch die Liga. Ein Sieg nach dem anderen, viele dabei durch späte Tore und einige auch recht glücklich - die Erfolgsserie wollte kein Ende nehmen.

Der Ex-Bundesligist überwinterte als Tabellenführer mit sechs Punkten Vorsprung auf den Zweiten, den 1. FC Saarbrücken . Die Offenbacher, die morgen um 19 Uhr im ersten Punktspiel nach der Winterpause beim FC Homburg antreten, holten 49 von 60 möglichen Zählern. "Kontinuität ist ein Schlüssel zum Erfolg, davon bin ich überzeugt", sagt Trainer Rico Schmitt. Während beim FCS und der SV Elversberg einige Profis mit Zweitliga- oder gar Bundesliga-Erfahrung spielen, sind die Offenbacher Spieler durch die Bank unbekannter.

Dafür sind sie "alle gierig und getrieben von Erfolg", sagt Trainer Rico Schmitt. Er erklärt: "Wir haben ganz viele Spieler im Kader, die noch etwas erreichen wollen oder auch ihre letzte Chance nutzen wollen, bei einem Top-Club spielen zu dürfen." Der 46-jährige Ostdeutsche trainierte schon in der 2. Bundesliga den FC Erzgebirge Aue und trat sein Amt am Bieberer Berg vor ziemlich genau zwei Jahren an.

Auch im DFB-Pokal glänzte der Traditionsclub mit Siegen gegen die Zweitligisten FC Ingolstadt (4:2 nach Elfmeterschießen) und Karlsruher SC (1:0) und steht am kommenden Mittwoch um 20.30 Uhr im Achtelfinal-Knaller gegen Bundesligist Borussia Mönchengladbach . Ablenkung befürchtet Schmitt nicht: "Meine Mannschaft hat es bereits mehrfach nachgewiesen, die Prioritäten richtig zu setzen." Er vertraut seinem Kader voll, Neuzugänge gab es daher im Winter nicht: "Aus unserer Sicht haben wir unsere Hausaufgaben im Sommer gemacht." Die Offenbacher Serie - sie beeindruckte die Konkurrenz zweifelsohne. Auch gegen den FCH (2:1), bei der SVE (1:0) und beim FCS (1:1) punkteten die Kickers.

Der OFC ist ein Traditionsverein, ein Kultclub mit vielen Fans. Trotzdem kann Rico Schmitt nach der Insolvenz 2013 und dem einhergehenden Zwangsabstieg aus der 3. Liga ruhig arbeiten. Der Verein hat einen Drei-Jahres-Plan ausgegeben, am Ende soll der Aufstieg stehen. Das Insolvenz-Verfahren wird vermutlich im April abgeschlossen. Kickers-Geschäftsführer David Fischer : "Dann haben wir eine wirtschaftliche Basis, die ein solides Fundament für die Zukunft darstellt." Und auch Fischer betont die Kontinuität im Kader, daher habe der Verein auch im Sommer "nur punktuell zusätzliche Qualität zugeführt".

Qualität hat aber auch der FC Homburg. Schmitt spricht von einer "sehr, sehr harten Nuss". Der OFC-Trainer: "Von deren Qualität konnten wir uns bereits im Hinspiel überzeugen. Ein ausgewogener, erfahrener Kader." Die Homburger hätten "eine gute Defensivleistung mit einem sehr guten Umschaltspiel". Und neben dem FCH hoffen morgen dann auch der FCS und die SVE, dass die Offenbacher Skier nach der Winterpause nicht mehr so gut gewachst sind.

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