Freud und Leid, so nah beieinander

Saarbrücken · 425 deutsche Sportlerinnen und Sportler gehen in Rio auf Medaillenjagd. Die letzten Tickets werden allerdings erst in den kommenden Tagen vergeben. Der DOSB erhofft sich mindestens 44 Medaillen.

 Mit ihrem couragierten Auftritt bei der EM in Amsterdam schaffte die deutsche 4x400-Meter-Staffel mit Laura Müller (LC Rehlingen), Ruth Sophia Spelmeyer, Lara Hofmann and Friederike Möhlenkamp (v.l.) den Sprung zu den Olympischen Spielen. Foto: Kappeler/dpa

Mit ihrem couragierten Auftritt bei der EM in Amsterdam schaffte die deutsche 4x400-Meter-Staffel mit Laura Müller (LC Rehlingen), Ruth Sophia Spelmeyer, Lara Hofmann and Friederike Möhlenkamp (v.l.) den Sprung zu den Olympischen Spielen. Foto: Kappeler/dpa

Foto: Kappeler/dpa

Die dritte und letzte Nominierungsrunde des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gestern in Frankfurt brachte einige Überraschungen mit sich. Aus saarländischer Sicht vor allem unangenehme. Denn die große Frage, welche Triathleten vom Olympiastützpunkt in Saarbrücken in Rio an den Start gehen werden, beantwortete der DOSB knallhart mit dem Ticket für nur eine Starterin, nämlich Anne Haug vom LAZ Saarbrücken . Die übrigen von der Deutschen Triathlon-Union (DTU) vorgeschlagenen - Steffen Justus und Rebecca Robisch (beide Triathlon-Freunde Saarlouis), Hanna Philippin (LAZ Saarbrücken ), Laura Lindemann, Anja Knapp und Gregor Buchholz müssen zuhause bleiben.

Der Nominierungsrunde war ein Streit zwischen Robisch und der DTU vorausgegangen (wir berichteten). Die DTU hatte ursprünglich Haug, die als einzige die DTU-Qualifikationskriterien erfüllt hatte, sowie Lindemann und Knapp dem DOSB vorgeschlagen. Und das, obwohl Robisch und Philippin in diversen Ranglisten besser platziert waren als Lindemann und Knapp. Robisch klagte dagegen und bekam vor dem Deutschen Sportschiedsgericht Recht. Das Urteil zwang die DTU dazu, Robisch dem DOSB vorzuschlagen. Die DTU schlug dann gleich alle fünf Athletinnen vor, obwohl Deutschland nur drei Startplätze zustehen - mit dem Ergebnis, dass nun außer Haug niemand fährt. Acht Jahre nach dem Olympiasieg von Jan Frodeno (LAZ Saarbrücken ) ist die olympische Distanz nun endgültig zum Problemkind der DTU geworden.

Doch es gab auch gute Nachrichten gestern. So bekamen zwei saarländische Leichtathletinnen ihre Fahrkarte an den Zuckerhut. Weitspringerin Sostene Moguenara vom LAZ Saarbrücken , die derzeit eine Verletzung auskuriert, ist in Rio mit von der Partie. Begleitet wird sie von 400-Meter-Läuferin Laura Müller (LC Rehlingen ), die zwar einen Einzelstart verpasst hat, sich aber mit ihren Kolleginnen aus der 4x400-Meter-Staffel am vergangenen Wochenende bei der EM in Amsterdam (Platz fünf) einen Startplatz für Brasilien erkämpft hat. "Offizielle" Olympiafahrer sind seit gestern auch die Schwimmer Annika Bruhn und Christoph Fildebrandt von der SSG Saar Max Ritter .

Letzte Sportler am Montag

Insgesamt wurden gestern 247 Sportlerinnen und Sportler benannt. Namentlich noch nicht nominiert wurden die Aufgebote im Fußball (Frauen/Männer), Handball (Männer) sowie im Pferdesport. In den Mannschaftssportarten erfolgt die Kaderbenennung am morgigen Donnerstag, bei den Reitern nach dem bis Sonntag laufenden CHIO in Aachen. Hinzu kommen in verschiedenen Sportarten noch 26 sogenannte "Alternative Athleten", die als Ersatzleute bereitstehen. "Wir haben eine gute Mannschaft. Ich bin optimistisch, dass wir das Ergebnis von London 2012 wieder erreichen", sagte DOSB-Vorstands-Chef Michael Vesper . Wir haben damals mit 44 Medaillen ein glänzendes Ergebnis erreicht. Es wäre großartig, wenn wir das wiederholen könnten."

Wie immer gab es auch Härtefälle. Prominentester Olympia-Zaungast ist Speerwurf-Weltmeisterin Katharina Molitor. Die Titelträgerin von 2015 musste ihrer Vorgängerin Christina Obergföll das Rio-Ticket überlassen. "Für den Verband war es ein Luxusproblem, für die Athletin ist es tragisch, nicht bei Olympia dabei zu sein", sagte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Molitor erwägt nun rechtliche Schritte. "Ich werde mir juristischen Rat holen und schauen, ob ich gegen diese Entscheidung klagen kann", sagte die 32-Jährige Leverkusenerin der "Rheinischen Post". Entscheidend für die Nominierung von Obergföll war, dass die Olympia-Zweite von 2012 und Weltmeisterin von 2013 in diesem Jahr mit 64,96 und 63,96 Metern zweimal weiter als Molitor geworfen hatte. Molitor gelang ihr weitester Wurf bei der EM in Amsterdam, wo sie mit 63,20 Meter Vierte wurde.

Mit dabei ist Stabhochsprung-Ass Raphael Holzdeppe vom LAZ Zweibrücken, obwohl er nur die internationale Norm erfüllt hat. "Er ist ein Weltklasse-Athlet, der aufgrund seiner Verletzung derzeit nicht in der Lage ist, Höchstleistungen abzurufen. Wir glauben, dass er bis Rio dazu in der Lage ist", begründete Dirk Schimmelpfennig, DOSB-Vorstand Leistungssport, die Entscheidung.

Meinung:

Eine Sportart auf dem Weg nach unten

Von SZ-Redakteur Mark Weishaupt

Man mag es kaum glauben: Da wehrt sich Triathletin Rebecca Robisch gegen ein offensichtliches Unrecht, das ihr ihr Dachverband, die Deutsche Triathlon-Union (DTU), zugefügt hat, und wird als "Dankeschön" dafür bestraft. Und zwar nicht nur mit der Nicht-Nominierung für die Olympischen Spiele, die schon schlimm genug ist. Nein - die anderen Vorgeschlagenen werden quasi in Sippenhaft genommen und dürfen auch nicht nach Rio. Dass der Deutsche Olympische Sportbund nur Anne Haug mit nach Rio nimmt, liegt vor allem in der Verantwortung der DTU, die nicht in der Lage war, sich für drei Sportlerinnen zu entscheiden, sondern gleich fünf für drei Plätze vorgeschlagen hat.

 Triathlon-Altmeister Steffen Justus wird bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro nicht an den Start gehen können. Foto: Charisius/dpa

Triathlon-Altmeister Steffen Justus wird bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro nicht an den Start gehen können. Foto: Charisius/dpa

Foto: Charisius/dpa

Natürlich wird es niemand der Verantwortlichen zugeben, aber die Botschaft der Funktionäre ist eindeutig: Wer sich nicht an unsere Regeln hält oder nach unserer Pfeife tanzt, der kann hier nichts werden. Was für ein fatales Signal an junge Menschen, die nichts anderes tun wollen als ihrer Leidenschaft nachzugehen und sich ihren großen Lebenstraum, der Teilnahme an der größten Sportveranstaltung der Welt, zu erfüllen. Eine Sportart, die in vergangenen Jahren einen Boom wie kaum eine andere erleben durfte, hat sich nun definitiv selbst ein Bein gestellt.

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