Es boomt im Becken

Saarbrücken · Der neue Olympia-Zyklus hat bereits begonnen, der Verteilungskampf um die Fördergelder ist im Gange. Auch im Saarland müssen sich einige Verbände neu aufstellen, ihre Ziele für 2020 definieren. Die SZ beleuchtet ihre Situation.

 Landestrainer Hannes Vitense (oben, Dritter von links) mit dem Talentteam des Saarländischen Schwimmbundes. Bis zu acht der Nachwuchshoffnungen könnten ein Thema für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio werden, schätzt Vitense.Foto: Thomas Wieck

Landestrainer Hannes Vitense (oben, Dritter von links) mit dem Talentteam des Saarländischen Schwimmbundes. Bis zu acht der Nachwuchshoffnungen könnten ein Thema für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio werden, schätzt Vitense.Foto: Thomas Wieck

Foto: Thomas Wieck

Die Verteilungskämpfe um die Fördergelder im deutschen Spitzensport sind in vollem Gange. Die Leistungssport-Reform, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach dem Abschneiden bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro auf den Weg bringen will, soll am 3. Dezember auf der Mitgliederversammlung des DOSB verabschiedet werden - nach enger Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern , das bisher 160 Millionen Euro im Jahr an Sportförderung zahlt.

Acht Olympia-Kandidaten

Um die Details wird gerade gestritten. Bundesstützpunkte sollen geschlossen werden, und bei vielen Sportarten geht die Angst um, künftig schlechter dazustehen als vorher. Eine davon ist eine der olympischen Kernsportarten schlechthin - das Schwimmen. Wenn am morgigen Samstag beim Verbandstag des Deutschen Schwimmverbandes in Leipzig ein Nachfolger für Präsidentin Christa Thiel, die nach 16 Jahren nicht mehr antritt, gewählt wird, dürfte es hoch hergehen. Schließlich gibt es mehrere Kandidaten mit höchst unterschiedlichen Konzepten.

Viel Unruhe also, viele Diskussionen, viel Gesprächsbedarf. Hannes Vitense, der Landestrainer des Saarländischen Schwimmbundes (SSB), darf sich in dieser Unruhe eigentlich recht entspannt zurücklehnen - schließlich lässt sich die Bilanz des SSB objektiv messbar als mehr als zufriedenstellend bezeichnen. Mittlerweile werden in Saarbrücken am Olympiastützpunkt 15 Bundeskader-Athleten betreut - und das, obwohl die Trainingsgruppe in Saarbrücken "nur" ein Landesstützpunkt ist - und kein Bundesstützpunkt.

"Wir wollen jeden Athleten besser machen", sagt Vitense zur Trainingsphilosophie. Die hat in Saarbrücken dazu geführt, dass der SSB mit den Beckenschwimmern Annika Bruhn und Christoph Fildebrandt nicht nur zwei Olympia-Teilnehmer in Rio stellte, sondern mit Freiwasser-Athlet Andreas Waschburger auch den Zweiten im Gesamtweltcup seiner Disziplin, der seine zweite Olympia-Teilnahme nach London knapp verpasste. Um diese Drei hat sich eine Gruppe von Talenten geschart, die von hinten Druck machen. "Bis zu acht von ihnen", sagt Vitense, könnten die Worte "Olympia 2020 in Tokio" in den Mund nehmen.

Zu den Kandidaten gehört unter anderem Marlene Hüther. Die 18-Jährige war in diesem Jahr schon ganz nah dran, verpasste die Qualifikation für die deutsche 4x200-Meter-Freistilstaffel nur knapp. "Marlene hat das Zeug dazu - und sie kann mit dem Druck umgehen", sagt Vitense. Außerdem auf dem Zettel für die Spiele in Tokio: Antonia Massone (19, 400 Meter Freistil ), Henning Mühlleitner (19, 200 und 400 Meter Freistil ), Jonathan Berneburg (18) und die erst 15 Jahre alte Celine Rieder, die Vitense als "extrem willensstark" bezeichnet und die "herausragende Möglichkeiten" habe. Dazu gesellen sich die beiden Freiwasser-Schwimmer Sarah Bosslet (23) und Felix Bartels (20).

Dass die Situation in Saarbrücken derart komfortabel ausschaut, liegt vor allem daran, dass hier Schwimmen nicht als Einzelsportart definiert wird. "Ich sage immer: Das Team ist der Star", erläutert Vitense, "vieles im Schwimmen ist harte Arbeit. Jeder wird immer wieder bittere Stunden erleben, aber dann ist auch wieder ein anderer da, der gerade obenauf ist, und zieht einen mit. Das ist sehr gut für den Prozess." Ein Prozess, den Vitense seit 2009 federführend begleitet und gerne noch weiterbegleiten würde. Sein Vertrag mit dem Saarländischen Schwimmbund läuft zum Ende des Jahres aus, ein neuer liegt vor, über die Modalitäten wird derzeit verhandelt.

Bei allem Talent, das in Saarbrücken vorhanden ist, möchte Vitense die Erwartungen nicht in den Himmel wachsen lassen, wenn es um eine mögliche Olympiamedaille in Tokio für einen Saar-Schwimmer geht.

"Keine Top-Nation mehr"

"Die Chance, dass es 2020 deutsche Medaillen gibt, ist genauso gering wie 2012 oder 2016", sagt Vitense: "Deutschland ist keine Top-Nation mehr wie vielleicht vor 20 Jahren." Eine der Ursachen vermutet Vitense übrigens auch in dem immensen Druck, der auf dem deutschen Schwimmen allgemein bei Olympischen Spielen liegt. Die Schwimmer sind in der Regel zu Beginn der Spiele dran - und mit jedem Tag mehr, mit dem Sport-Deutschland auf die erste Olympiamedaille wartet, steige und steige der Druck. "Die Leichtathleten haben es da ein bisschen einfacher, die sind erst in der zweiten Woche dran", findet Vitense, der sich wünscht, "dass wir das deutsche Schwimmen wieder vorne sehen in der Welt. Ich bin jedenfalls bereit, mein Know-How einzubringen. Im Saarland ist uns das ja schon gut gelungen."

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 „Alter, wir sind bei Olympia!“ – mit diesem Satz beglückwünschte Hannes Vitense (rechts) Schützling Andreas Waschburger nach der Qualifikation für die Spiele 2012. Waschburger ist seither das Aushängeschild im saarländischen Schwimmsport. Foto: thissen/dpa

„Alter, wir sind bei Olympia!“ – mit diesem Satz beglückwünschte Hannes Vitense (rechts) Schützling Andreas Waschburger nach der Qualifikation für die Spiele 2012. Waschburger ist seither das Aushängeschild im saarländischen Schwimmsport. Foto: thissen/dpa

Foto: thissen/dpa

Auf Einen Blick An diesem Wochenende finden im Hallenbad in Illingen die saarländischen Kurzbahnmeisterschaften statt. Die Veranstaltung beginnt am heutigen Freitag um 16.30 Uhr mit dem Einschwimmen und dauert bis Sonntag. Neben vielen Schwimmern aus dem Nachwuchs starten auch Topathleten wie Christoph Fildebrandt, Staffel-Sechster bei Olympia in Rio, und An dreas Waschburger. mwe

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