Ein lauter Knall verändert alles

Saarbrücken · Beim National Team Cup in Saarbrücken patzte Waldemar Eichorn von der TG Saar an seinem Spezialgerät Pauschenpferd. Seine EM-Chancen sind aber durch die schwere Verletzung von Andreas Bretschneider deutlich gestiegen.

 800 Zuschauer in der Multifunktionshalle der Hermann-Neuberger-Sportschule verfolgten am Samstag den National Team Cup mit den besten deutschen Turnern. Fotos: Ruppenthal

800 Zuschauer in der Multifunktionshalle der Hermann-Neuberger-Sportschule verfolgten am Samstag den National Team Cup mit den besten deutschen Turnern. Fotos: Ruppenthal

 Topturnerin Pauline Schäfer (links) musste verletzt passen und unterstützte stattdessen ihre Schwester Helene.

Topturnerin Pauline Schäfer (links) musste verletzt passen und unterstützte stattdessen ihre Schwester Helene.

Das Unglück passierte beim Aufwärmen. An dreas Bretschneider, der große Hoffnungsträger im deutschen Turnsport für die Zeit nach Fabian Hambüchen , hatte beim Einturnen am Boden einen Salto rückwärts gestreckt versucht, als es einen Knall gab. Die 800 Zuschauer beim National Team Cup in der Multifunktionshalle der Hermann-Neuberger-Sportschule zuckten zusammen. Und die Diagnose versetzte Bundestrainer An dreas Hirsch und natürlich Bretschneider selbst in einem Schockzustand: Achillessehnenriss im rechten Fuß.

Die Saisonauftakt-Veranstaltung der Deutschen Turnliga (DTL), die die Nationalmannschaft mit 248,50 Punkten knapp vor dem deutschen Meister MTV Stuttgart (248,35) gewann, geriet in den Hintergrund. Schon gestern wurde Bretschneider in Chemnitz operiert. "Andreas hat zuletzt so tolle Fortschritte gemach", sagte Cheftrainer Hirsch, der mit Blick auf die Europameisterschaften im April in Montpellier plötzlich große Sorgen hat.

Bretschneiders Pech dürfte aber die Chancen des Saarländers Waldemar Eichorn auf internationale Einsätze deutlich erhöhen - bei der EM genauso wie bei der WM im Oktober in Glasgow. Die mit Spannung erwartete Premiere des gerade erst vom Weltturnverband nach ihm benannten "Eichorn" (die SZ berichtete) vor dem heimischen Fans verlief aber nicht ganz so wie gewünscht. Kurz nach der von ihm kreierten Spindel mit 360-Grad-Drehung und wandernden Thomas-Flanken stieg der 28-Jährige vom Gerät. "Die Arme wurden weich, aber es war der erste Wettkampf. Ich werde mich steigern", sagte Eichorn.

Bundestrainer Hirsch glaubt an den Saarländer: "Waldemar ist am Pferd in der Lage, sich für die Einzel-EM zu qualifizieren. Er muss nur stabil durchturnen." Auch den zweiten Topturner der TG Saar , Ivan Bykov, hat er im Blick, richtete am Samstag aber deutliche Worte an den 23-Jährigen, der in der Einzelwertung vor Eichorn Rang sieben belegte. "Ivan ist talentiert, aber er muss seine Leistung mit Blick auf Olympia 2016 mal auf den Punkt bringen", stellte Hirsch klar. Die beste Einzelleistung lieferte mit 84,80 Punkten der Hallenser Matthias Fahrig ab. Er ging für eine DTL-Auswahl an den Start. WM-Teilnehmer Helge Liebrich (83,85) und der Stuttgarter Sebastian Krimmer (83,75) folgten auf den Plätzen.

Die Atmosphäre in der Halle gefiel auch TG-Saar-Talent Luca Ehrmanntraut, der für die DTL-Auswahl ran durfte. "Diese Chance zu bekommen - das war toll", sagte der 18-Jährige strahlend und bedankte sich am Reck mit der gelungenen Premiere des Kovacs-Saltos. Sehr zur Freude auch seines Vorsitzenden Thorsten Michels. Der lobte seine Helfer und versprach: "Es wird hier künftig weitere Turn-Großereignisse geben."Moderieren statt turnerisch brillieren: Ihren Auftritt beim zehnten National Team Cup hatte sich Pauline Schäfer anders vorgestellt: Eigentlich sollte die 18 Jahre alte Nationalturnerin in Saarbrücken beim Saisonauftakt-Wettkampf der Deutschen Turnliga (DTL) für das Turn-Team Deutschland an die Geräte gehen. In den Duellen mit der Junioren-Nationalmannschaft, einer DTL-Auswahl und dem Mixed-Team Germany wollte die Saarsportlerin des Jahres vor alten Freunden ihr Können demonstrieren. Doch statt vor Bundestrainerin Ulla Koch die erste Qualifikationschance für die EM im April in Montpellier zu nutzen, saß Schäfer einen Meter von der Wettkampfmatte entfernt und gab am Mikro fachkundige Kommentare.

"Es ist ärgerlich, dass ich zuschauen muss, gerade weil dieser tolle Wettkampf zu Hause stattfindet", seufzte die für den Bundesligisten Chemnitz startende Bierbacherin. "Ich habe am Stufenbarren ein neues Element trainiert und mir dabei die Schulter verletzt", erzählte der Pechvogel, der am Samstag einer Turnerin ganz besonders fest die Daumen drückte: Schwester Helene.

"Sie hat heute stark geturnt", lobte Pauline. Die 13-Jährige landete mit dem Mixed-Team zwar nur auf Rang vier, in der Einzelwertung aber unter 22 Startern auf Rang acht. Der ohne die WM-Turnerinnen Lisa-Katharina Hill, Elisabeth Seitz und Kim Bui angetretene National-Kader (156,20 Punkte) belegte hinter den eigenen Juniorinnen (161,20 Punkte) nur Rang zwei. Auch Pauline Schäfer fehlte. Die EM hat die deutsche Meisterin am Schwebebalken abgehakt. Sie will die Verletzung auskurieren und im Juni bei den Europaspielen in Baku wieder angreifen.

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