Neue Gesichter und alte Bekannte

Rehlingen · Eine Weltjahresbestleistung, eine europäische Jahresbestleistung und ganz viel Leichtathletik der Spitzenklasse waren gestern im Rehlinger Bungertstadion zu verfolgen. Auch saarländische Athleten mischten gut mit.

 Neues Gesicht: Speerwurf-Talent Johannes Vetter, der zu Saar 05 gewechselt ist, präsentierte sich erstmals im Saarland. Fotos: ruppenthal

Neues Gesicht: Speerwurf-Talent Johannes Vetter, der zu Saar 05 gewechselt ist, präsentierte sich erstmals im Saarland. Fotos: ruppenthal

 Stabhochspringer Raphael Holzdeppe ließ in Rehlingen aufsteigende Tendenz erkennen.

Stabhochspringer Raphael Holzdeppe ließ in Rehlingen aufsteigende Tendenz erkennen.

 Kugelstoßerin Christina Schwanitz war gestern im Bungertstadion ohne Konkurrenz.

Kugelstoßerin Christina Schwanitz war gestern im Bungertstadion ohne Konkurrenz.

Ein bisschen mehr Sonne - und damit etwas mehr Wärme - hätte es schon sein dürfen gestern Nachmittag beim Leichtathletik-Pfingstsportfest in Rehlingen . Mehr als 17, 18 Grad Celsius ließ der bewölkte Himmel über dem Bungertstadion aber nicht zu. Und ausgerechnet um Punkt 15 Uhr zur offiziellen Eröffnung des Hauptprogramms der 51. Auflage der Traditionsveranstaltung begann es auch noch zu regnen. Auffrischender Wind sorgte zudem in den Sprint- und Sprungdisziplinen dafür, dass die Leistungen des ein oder anderen Athleten doch unter den - auch eigenen - Erwartungen blieben.

"3000 bis 3500 Zuschauer", schätzte Thomas Klein, der Vereinsvorsitzende des gastgebenden LC Rehlingen , die Besucherzahl. Und die durften sich dann an der Tatsache erfreuen, dass der Wettergott ein Einsehen hatte und schnell den Regen sein ließ. Später blitzte sogar die Sonne durch die Wolkendecke. Das tat dann auch dem ein oder anderen Wettbewerb merklich gut - unter anderem den Stabhochspringern um Weltmeister Raphael Holzdeppe. Der Athlet des LAZ Zweibrücken scheiterte zwar an 5,75 Metern, hinterließ aber nach dem schwachen Jahr 2014 mit locker gemeisterten 5,60 Metern einen durchaus passablen Eindruck. Noch besser machte es der Leverkusener Carlo Paech, der mit 5,70 Metern die Norm für die WM Mitte August in Peking erfüllte. Holzdeppe ist als Titelverteidiger automatisch für die WM qualifiziert.

Dieses Ziel, die Norm so früh es geht abzuhaken, schaffte auch Marie Laurence Jungfleisch gestern. Die deutsch-französische Hochspringerin legte einen sauberen Wettkampf hin und flog über die geforderten 1,94 Meter. Es gewann die polnische Hallen-Weltmeisterin Kamila Licwinko mit 1,96 Metern - übrigens die Einstellung der derzeitigen Weltjahresbestleistung.

Für die Topleistung des Nachmittags sorgte eine kleine, flinke Französin. Renelle Lamote trommelte über die 800 Meter der Frauen eine Zeit von 1:59,39 Minuten auf die Tartanbahn - schneller war in Europa in diesem Jahr noch niemand. Matthew Hudson-Smith, seines Zeichens britischer Vize-Europameister über die Stadionrunde von 400 Metern, legte ebenfalls eine flotte Zeit hin und gewann in 45,25 Sekunden - schneller war in Europa in diesem Jahr nur der Belgier Jonathan Borlée (44,91 Sekunden).

Und die Saarländer? Lokalmatador Robert Hind vom SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken bestritt sein erstes Freiluft-Rennen über 400 Meter in 47,85 Sekunden. Damit landete er im B-Finale auf Platz fünf und war deutlich langsamer als der siegreiche deutsche Hallenmeister Alexander Gladitz (46,67). Laura Müller (LSG Saarbrücken-Sulzbachtal) stieg über die gleiche Distanz mit 53,94 Metern passabel in die Saison ein. Patrick Zwicker vom LC Rehlingen stieg über die 800 Meter nach 600 Metern aus.

So war die hochwertigste Leistung aus saarländischer Sicht einem neuen Gesicht verbehalten: Speerwerfer Johannes Vetter, Neuzugang bei Saar 05, wurde mit 80,22 Metern Zweiter. "Das Ding hätte ruhig drei Meter weiter fliegen können", sagte der 22-jährige Dresdner, der damit die für Rehlingen anvisierte WM-Norm von 82,50 Metern verfehlte. Sein Bundestrainer Boris Obergföll (früherer Henry), der einst regelmäßig in Rehlingen gewann, baut auf seinen Schützling, der bei ihm in Offenburg trainiert. "Jojo hat was drauf. Wenn er mal einen richtig trifft, kracht es im Gebälk." Wenn Christina Schwanitz in den Ring tritt, dann läuft die Vorbereitung immer nach dem gleichen Muster ab. Die zurzeit weltbeste Kugelstoßerin des Jahres (20,77 Meter) greift sich das Wurfgerät mit der rechten Hand und schmiegt es an der rechten Seite des Halses an. Mit der linken packt die Europameisterin gleichzeitig die zu einem Zopf zusammengeflochtenen Haare, legt sie auf die linke Seite des Kopfes. Ein kurzes Innehalten, ein Moment der Konzentration - und Schwanitz explodiert.

Dass die Kugel gestern im Bungertstadion nicht über die 20-Meter-Marke wollte, war für die 29-Jährige kein Beinbruch. "Klar hätte ich gerne weiter gestoßen", sagte Schwanitz, "aber der Wettkampf an sich war okay". 19,85 Meter wurden für ihren besten Versuch gemessen. "Der Ring war ein bisschen rau", erklärte Schwanitz, "dazu habe ich 640 Kilometer Anreise in den Knochen und noch etwas Jetlag vom letzten Wettkampf in China vergangene Woche." Dort, beim World Challenge Meeting in Peking, wo im August die WM stattfindet, hatte Schwanitz am Mittwoch ihre persönliche Bestleistung um 36 Zentimeter gesteigert.

Seine persönliche Bestleistung hat auch Thomas Schmitt in diesem Jahr gesteigert. Schwanitz' Disziplinkollege aus Köln hatte im März dieses Jahres für eine Sensation gesorgt. Bei einem kleinen Sportfest in Übach-Palenberg in Nordrhein-Westfalen wuchtete Schmitt die Kugel auf schier unglaubliche 21,35 Meter - seine alte Bestleistung stand bei 19,07 Meter. Weiter haben in diesem Jahrtausend in Deutschland bisher nur Welt- und Europameister David Storl (Bestleistung 21,97 Meter) und der mittlerweile zurückgetretene Ex-Europameister Ralf Bartels gestoßen.

Eine Erklärung für diese Steigerung hat Schmitt selbst nicht - und dass die Weite zurzeit eher Bürde für den 26 Jahre alten Physikstudenten ist, war ihm gestern in Rehlingen anzumerken. Schon beim Einstoßen schüttelte er meist unzufrieden den Kopf, kaum einmal kam er in die Nähe der 19 Meter. Fünf ungültige Versuche, der einzig gültige schließlich bei 17,65 Meter. Sein bescheidenes Ziel, sich "erstmal bei 20 Metern zu stabilisieren", dürfte mit viel Arbeit verbunden sein.

pfingstsportfest.de

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