Geregelte Zukunft, gesund und munter

Paderborn/Saarbrücken · Die Olympischen Spiele in Brasilien könnten ihre große Bühne werden: Dzsenifer Marozsan aus Saarbrücken will mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft um die Medaillen spielen – und ist angriffslustig.

Die vergangenen beiden Sommer waren beileibe nicht die schönsten im Leben von Dzsenifer Marozsan. Dieses Mal soll es anders werden. Die Zukunft der Fußball-Nationalspielerin aus Saarbrücken ist geregelt, sie ist gesund, munter und voller Tatendrang. "Ich bin in guter Verfassung, habe in der Vorbereitung alles mitgemacht", sagt die 24-Jährige vor der heutigen Olympia-Generalprobe in Paderborn gegen Ghana (18 Uhr/ARD): "Aber es ist noch lange hin bis zum ersten Spiel in Brasilien, vor einem Jahr ist es auch sehr kurzfristig passiert."

Zweijahresvertrag in Lyon

Vor einem Jahr - da war die WM in Kanada. Marozsan zog sich kurz vor dem Start eine Bänderdehnung im Sprunggelenk zu. Sie verpasste das Auftaktspiel gegen die Elfenbeinküste, danach fand sie - körperlich eingeschränkt - nicht mehr zu ihrem Rhythmus. Die WM endete mit Rang vier. Eine Enttäuschung, auch wenn das keiner direkt aussprechen wollte.

Und jetzt, jetzt stehen die Olympischen Spiele an. "Etwas sehr Besonderes", sagt Marozsan voller Ehrfurcht: "Ich freue mich sehr. Und ich erhoffe mir eine Medaille. Gold wäre super." Ein mutiges Ziel, aber Marozsan, die wohl beste Fußballerin im Team, fühlt sich bereit, an die Leistungsgrenze zu gehen. Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass sie die Neuordnung ihrer Karriere nun vollziehen kann.

Vor zwei Jahren schon hatte sie - via Facebook - ihren Wunsch kundgetan, den Bundesligisten 1. FFC Frankfurt zu verlassen und nach Frankreich zu wechseln. Der Verein bestand jedoch auf den bis 2016 laufenden Vertrag. "Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, es wäre alles anders gelaufen", sagt Marozsan heute: "Das war die schlimmste Zeit meiner Laufbahn. Vieles wurde anders dargestellt, als es wirklich war. Ich war machtlos." Viel mehr möchte sie dazu nicht mehr sagen. Es spielt letztlich auch keine Rolle mehr, ob sie naiv oder schlecht beraten war. "Ich bin professionell geblieben und habe für den FFC alles gegeben", sagt Marozsan: "Und es hat sich gelohnt, die Mannschaft war fantastisch."

2015 gewann Marozsan mit Frankfurt die Champions League, ihr bislang größter Titel im Vereinsfußball. Eine deutsche Meisterschaft hat sie in der Zeit beim FFC verpasst. "Es waren sieben wundervolle Jahre, aber das ist echt traurig. Bei meinem Wechsel nach Frankfurt dachte ich, die Meisterschaft müsste schon drin sein. Irgendwie hat es nicht sollen sein."

Geklappt hat dafür - mit zwei Jahren Verspätung - der Wechsel nach Frankreich, wo "der beste und schönste Fußball" (Marozsan) gespielt wird. Die Supertechnikerin hat beim Champions-League-Sieger Olympique Lyon einen Zweijahresvertrag unterschrieben. "Nach fast zehn Jahren Bundesliga und 2. Liga brauche ich etwas Neues. Ein neues Land, eine neue Mentalität, neue Mannschaften, neue Busfahrten. Es war einfach immer das Gleiche", sagt Marozsan: "Es ist der nächste Schritt in meiner Karriere . Ich will mich nochmal weiterentwickeln, das ist mir sehr wichtig. Und mit der Mannschaft will ich alle drei Titel gewinnen: Meisterschaft, Pokal und Champions League."

Dass eine der besten Fußballerinnen der Welt in die wohl beste Mannschaft der Welt gehört - klingt logisch. Für Marozsan ist es trotzdem ein gewaltiger Schritt. Raus aus der Komfortzone in Frankfurt, rein in eine ungewisse Zukunft. Französisch spricht sie nicht. "Aber ich werde es lernen, werde Einzelunterricht nehmen. Aus meiner Zeit im Saarland weiß ich sehr genau, dass die Franzosen nicht gerne Englisch oder Deutsch sprechen, sondern lieber die eigene Sprache."

In gewisser Weise ist der Wechsel nach Lyon vergleichbar mit dem vom 1. FC Saarbrücken nach Frankfurt. Das war 2009, die gebürtige Ungarin Marozsan war gerade erst 17. "Beim FFC waren nur Superstars wie Nadine Angerer oder Birgit Prinz . Ich habe in den ersten Jahren sehr viel gelernt. Und ich bin nach und nach in die Rolle reingewachsen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn das noch nicht optimal ist, ist es sehr viel besser geworden", sagt Marozsan - und erhofft sich einen ähnlichen Karriereschub wie damals.

Geblieben ist über all die Jahre die Rückendeckung aus der Heimat. "Das Saarland wird immer ein Stück Zuhause bleiben", sagt Marozsan, deren Eltern noch in Saarbrücken leben: "Meine Familie hat einen entscheidenden Anteil an meiner Entwicklung. Ich konnte mich auf den Fußball konzentrieren, mich frei entfalten. Mein Vater war und ist mein Vorbild. Er hat mir beigebracht, was Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen bedeutet. In schwierigen Phasen denke ich immer daran. Und daran, wie gerne mein Bruder denselben Beruf ausüben würde, aber gesundheitlich bedingt nicht kann."

Kratz als Dreh- und Angelpunkt

Auch so kurz vor einem großen Turnier, ihrem bislang größten, hat Dzsenifer Marozsan Demut und Dankbarkeit nicht vergessen. Sie nennt etwa Margret Kratz, die Landestrainerin des Saarländischen Fußballverbandes, den "Dreh- und Angelpunkt meiner Karriere ". "Sie hat mich ins Auswahltraining dazugenommen, was eigentlich gar nicht möglich war, weil ich keinen Verein hatte. Und mit dem ersten Training bei ihr wurde alles anders." Der Aufstieg begann - und in Rio de Janeiro kann Marozsan nun endgültig ein Weltstar werden. Mit gerade mal 24 Jahren.

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 Einer der ersten Fototermine in ihrer Fußball-Karriere: Dzsenifer Marozsan ist gerade erst 15 Jahre alt, als sie beim 1. FC Saarbrücken ins Bundesliga-Team aufsteigt. Foto: Wieck

Einer der ersten Fototermine in ihrer Fußball-Karriere: Dzsenifer Marozsan ist gerade erst 15 Jahre alt, als sie beim 1. FC Saarbrücken ins Bundesliga-Team aufsteigt. Foto: Wieck

Foto: Wieck

Auf einen Blick Eine Woche vor dem Abflug zur "Mission Gold" testen die deutsche Fußballerinnen heute in Paderborn gegen Ghana (18 Uhr/ARD) ihre Olympia-Form. "Ich bin sehr froh, dass wir gegen Ghana spielen, weil sie Simbabwe ähneln", sagt Bundestrainerin Silvia Neid mit Blick auf den ersten Olympia-Gegner am 3. August in Sao Paulo: "Sie sind schnell, spielen typisch afrikanisch: robust und kompromisslos." Für die 52-Jährige ist die 163. Begegnung als Cheftrainerin zugleich das letzte Heimspiel. Nach Olympia hört Neid auf und übergibt das Zepter an Steffi Jones . Beim Turnier in Brasilien warten in der Vorrunde noch die Brocken Australien (6. August/Sao Paulo) und Kanada (9. August/Brasilia). Die ersten zwei der insgesamt drei Vierergruppen plus die beiden besten Gruppendritten kommen ins Viertelfinale. sid

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