Ultimativer Überflieger

Oslo · Langsam dürften sich Oslos Einwohner an die Melodie gewöhnt haben. Um etwa 20.05 Uhr erklingt auf dem Universitätsplatz mitten in Norwegens Hauptstadt seit Tagen die französische Nationalhymne. Auf der hell erleuchteten Bühne steht dann Martin Fourcade - und singt fröhlich mit.

 Laura Dahlmeier gewann gestern Bronze. Foto: Schmidt/dpa

Laura Dahlmeier gewann gestern Bronze. Foto: Schmidt/dpa

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Drei Mal war das schon so. Drei Mal könnte es noch kommen. Dem 27-Jährigen winkt bei der Biathlon-Weltmeisterschaft der sogenannte Grand Slam. "Ich bin offensichtlich der Einzige, der das bei dieser WM noch schaffen kann", sagt Fourcade mit einem Augenzwinkern. Sechs Goldmedaillen hat noch kein Skijäger bei einer Weltmeisterschaft gesammelt.

Nach den Titeln mit der Mixedstaffel, im Sprint und der Verfolgung ist der ultimative Triumph möglich. Fourcade dominiert mit geradezu absurder Leichtigkeit die Szene. Der Doppel-Olympiasieger demoralisiert die Konkurrenz um den bislang medaillenlosen deutschen Hoffnungsträger Simon Schempp. Quasi nebenbei fuhr Fourcade mit seinem 46. Sieg am vergangenen Sonntag seinen fünften Triumph im Gesamtweltcup in Serie ein. "Ich selbst habe nicht geglaubt, dass das jemand schaffen kann. Schon gar nicht ich selbst", sagt der Franzose. Kurz bevor er diese Worte sprach, hatte er Norwegens König Harald V. in dessen WM-Loge besucht. Wohl nicht zum letzten Mal. "Ich habe ihm gesagt, dass wir uns wiedersehen", verrät Fourcade. Am Donnerstag, Samstag und Sonntag war er schon dort. Am heutigen Donnerstag nach dem Einzel (ab 15.05 Uhr/ZDF), am kommenden Samstag nach der Staffel und am Sonntag nach dem Massenstart könnte es wieder klappen.

"Ein netter, freundlicher Mann" sei der König. Doch wahrscheinlich würde Norwegens Staatsoberhaupt gerne einmal einen seiner Landsmänner begrüßen. Aber gegen Fourcade scheint niemand eine Chance zu haben. "Martin dominiert seit vielen Jahren", sagt Ole Einar Björndalen, Norwegens Volksheld. Der 42-Jährige landete zweimal hinter Fourcade, musste sich mit Silber begnügen. Ob er den Franzosen bei dieser WM noch bezwingen kann? Das glaubt "König Ole" selbst nicht so richtig. "Er hat die einmalige Chance, hier alles zu gewinnen. Und das kann er. Er kann machen, was er will", sagt Rekord-Weltmeister Björndalen, der aber eine Kampfansage folgen lässt: "Wir werden kämpfen! Alle haben den Wunsch, ihn zu schlagen."

Fourcade gibt sich zurückhaltend. "Ich würde niemals sagen, dass ich hier sechs Titel gewinne. Das zu schaffen, ist eigentlich unmöglich", sagt der neunmalige Weltmeister: "Ich glaube selbst nicht daran. Vielleicht ändert sich das aber, wenn ich vor dem letzten Rennen immer noch die Chance habe." Vor drei Jahren schaffte die Norwegerin Tora Berger bei der WM in Nove Mesto als bisher Einzige das Kunststück, in sechs Rennen sechs Mal Edelmetall zu gewinnen- vier Mal Gold und zwei Mal Silber . Fourcade könnte diese Bestmarke nun knacken - und mit sechs Mal Gold sogar toppen.

"Biathlon ist ein komplizierter Sport. Ich freue mich jetzt über das, was ich schon erreicht habe, und will nicht zu viel darüber nachdenken, was ich hier noch erreichen kann", sagt der Überflieger, der heute auf dem Uniplatz wieder im Rampenlicht stehen könnte. Singend, und mit Gold um den Hals.

Simon Schempp will heute seine dritte Medaillen-Chance endlich nutzen, Andreas Birnbacher in seinem letzten WM-Einzelrennen für Furore sorgen. Zudem starten Erik Lesser und Benedikt Doll. Arnd Peiffer wird mit Blick auf die Staffel am Samstag und den Massenstart am Sonntag geschont.

Laura Dahlmeier riss die Augen weit auf, brannte erneut eine blitzschnelle Schlussrunde in die Loipe - und wurde wieder mit Edelmetall belohnt: Mit Bronze im Einzel über 15 Kilometer hat sie gestern bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Oslo im dritten Rennen ihre dritte Medaille gewonnen - nach Platz drei im Sprint und dem Sieg in der Verfolgung. "Drittes Rennen , dritte Medaille - der Wahnsinn!", sagte die 22-Jährige, die aufgrund ihrer zwei Schießfehler nicht ganz zufrieden mit dem Rennen war.

Die Französin Marie Dorin Habert holte ihre zweite Goldmedaille in Oslo . Silber ging an ihre Landsfrau Anais Bescond (+12,2 Sekunden). Dahlmeier hatte 1:17,8 Minuten Rückstand auf Habert. Zweitbeste Deutsche war Franziska Hildebrand aus Clausthal-Zellerfeld mit einem Schießfehler als Sechste. Maren Hammerschmidt aus Winterberg landete bei ihrem WM-Debüt nach drei Schießfehlern auf dem 27. Platz. Vanessa Hinz aus Schliersee musste sich nach drei Schießfehlern mit dem 37. Rang begnügen.

Vor welch großer Zukunft Dahlmeier steht, verdeutlicht ihr Potenzial, in allen Einzelwettkämpfen um den Sieg mitlaufen zu können. Während Rekord-Weltmeisterin Magdalena Neuner im Einzel nie eine Medaille gewann, fehlt Dahlmeier nur im Massenstart Edelmetall. Und das könnte am Sonntag gelingen, wenn die Biathletin aus Partenkirchen im Massenstart zu den Favoritinnen gehören wird. "Ich sehe mich aber nicht als Star der Szene. Wir sind alle eine große Familie, da hebt sich keiner richtig von den anderen ab", sagte Dahlmeier. Und ergänzte vor ihrem dritten Start bei der WM am Holmenkollen: "Alles was jetzt noch kommt, ist Zugabe."

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