Die Löwen bitten zum Tanz

München · Aufsteigen um jeden Preis: Für den VfB Stuttgart soll die Saison in der 2. Bundesliga ein kurzer Ausflug bleiben. Der Tabellendritte setzt auf Jung-Trainer Hannes Wolf, der dem Erfolgsdruck standhalten muss.

Vitor Pereira begann im Trainingslager auf der portugiesischen Halbinsel Troia schon einmal zu träumen. "Wenn meine Mannschaft wundervollen Fußball spielt, bin ich glücklich. Und wenn ich glücklich bin, tanze ich", sagte der Trainer des Fußball-Zweitligisten 1860 München , der seine Mannschaft allerdings zunächst vor dem einmal mehr drohenden Abstieg in die 3. Liga retten muss. An der Seitenlinie steht wieder einmal ein neuer Mann - ansonsten herrscht bei den Löwen das altbekannte Chaos .

Dabei hatte Pereira in der Vorbereitung auf die Rückrunde alles getan, um seiner Mannschaft das Erfolgs-Gen einzuimpfen. Am 4. Januar brach der Portugiese mit seinem Kader zu einem 16-tägigen Trainingslager ins Camp von Startrainer José Mourinho in seiner Heimat auf. "We go to the top", hatte Pereira vor Weihnachten angekündigt. Er will den seit Jahren darbenden Club in der nächsten Spielzeit wieder in die Erstklassigkeit führen.

In der Rückrunde soll dafür die Basis gelegt werden. Vor dem Start mit der Partie gegen die Spvgg. Greuther Fürth an diesem Freitag (18.30 Uhr) strahlen die Sechziger jedoch nur sportlich Professionalität aus. Investor Hasan Ismaik führt Personalentscheidungen im Alleingang durch. Er installierte nach der Trennung von Sportdirektor Thomas Eichin den "Finanzexperten" Anthony Power als interimsmäßigen Geschäftsführer. Im Fußball hat Power noch nie gearbeitet. Gleichzeitig strebt Ismaik den Zukauf weiterer Anteile am Verein an. Bisher gehören ihm 60 Prozent.

Nachdem der Jordanier einen Trainingslager-Besuch angekündigt hatte, flog auch Präsident Peter Cassalette eilig nach Portugal. Ismaik ließ aber auf sich warten, Cassalette reiste nach sechs Tagen zurück, worauf Ismaik plötzlich doch auftauchte. Standesgemäßer Auftritt mit Limousine, Gespräche mit Pereira, Power und den anwesenden Fans, Abreise nach nur zwei Stunden.

Auch der Umgang mit den Medienvertretern wirkt weiterhin ungelenk: Nach dem Presseboykott im November wurde Journalisten im Trainingslager zeitweise der Zugang zu den öffentlichen Einheiten verwehrt. Sie ließen sich dann von den Fans mit Informationen und Eindrücken versorgen.

Unterdessen hat es Power noch nicht geschafft, die Mannschaft mit Neuzugängen zu verstärken. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass sich die Münchner aufgrund von finanziellen Ungereimtheiten bei der Nachlizenzierung alle Transfers vorab von der Deutschen Fußball-Liga genehmigen lassen müssen.

Doch auf die Stimmung des Präsidenten drücken all diese Nachrichten nicht, denn der faktische Alleinherrscher Ismaik habe positiven Einfluss. "Die Zukunft ist rosiger als je zuvor", sagte Cassalette der "Abendzeitung": "Wir stehen in jeder Hinsicht besser da - ausgenommen der Tabellenplatz." 1860 München belegt Rang 14. Nur zwei Punkte trennen die Löwen von Relegationsplatz 16.

Sportlich soll der Brasilianer Ribamar endlich einschlagen. Der Angreifer kam bereits im Sommer, bestritt aufgrund mehrerer Verletzungen allerdings noch kein Pflichtspiel. Bei den drei Siegen und einem Remis gegen teils unterklassige portugiesische Gegner in der Vorbereitung kam Ribamar immerhin zu drei Kurzeinsätzen.

Mit ihm und schlagkräftigen Neuzugängen im angekündigten "Supertransfersommer 2017" soll es dann in der kommenden Saison um die Spitzenplätze gehen. Dann könnte Pereira in Cassalette einen Partner auf dem Parkett bekommen: "Wenn wir in die Bundesliga aufsteigen, tanze ich mit."Im Tabellenkeller der 2. Fußball-Bundesliga ringt Mirko Slomka nicht nur um die Zukunft des Karlsruher SC . Stürzt der neue Trainer mit den Badenern nach einer ereignisreichen Bundesliga-Karriere in die Drittklassigkeit ab, schadet er vor allem sich selbst. Vor dem Rückrundenauftakt hat der doppelte Existenzkampf bereits begonnen.

"Natürlich habe ich nicht zweieinhalb Jahre auf den Anruf vom Karlsruher SC gewartet. Natürlich gab es für mich auch andere Hoffnungen. Aber die Bundesliga-Vereine haben einen anderen Trend vorgelegt", sagte Slomka. Sieben Mal wechselten Bundesliga-Vereine in der Hinrunde den Trainer - nie hieß der neue Slomka.

840 Tage hatte es gedauert, bis Slomka Anfang Januar in Karlsruhe wieder auf dem Trainingsplatz stand. Beim Hamburger SV war er im September 2014 nach rund sieben Monaten und nur drei Siegen in der Liga entlassen worden. Lange wartete der Mathematik- und Sportlehrer auf die nächste Herausforderung. Oftmals hoffte er vergeblich. Als der Vertrag von Jupp Heynckes beim Rekordmeister Bayern München zum Ende der Saison 2012/2013 auslief, war Slomka bereits zum zweiten Mal bei den Münchnern im Gespräch. Behauptet er. Doch Pep Guardiola kam. "Man muss sich dann entscheiden, und die Bayern haben sich auch anders entschieden", sagte Slomka. Zuvor hatte es 2008 angeblich Überlegungen gegeben, den damaligen Schalker als Nachfolger von Ottmar Hitzfeld zu installieren. Die Wahl fiel auf Jürgen Klinsmann .

In Karlsruhe wartet nun der Wildpark statt der Weltbühne. Nach dem traumatischen Relegations-K.o. 2015 gegen den Hamburger SV fiel der Club sportlich in sich zusammen. In dieser Saison war der Notstand Normalfall. Nur elf Treffer erzielte der KSC in der Hinrunde, acht Mal blieb der Tabellen-15. ohne Tor. Kein Wunder, dass es nur zu zwei Siegen reichte. Eine Bilanz, die Slomkas Vorgänger Tomas Oral den Posten kostete.

Abhilfe soll eine Taktik schaffen, mit der Slomka zu Bundesliga-Zeiten Hannover 96 in die Europa League geführt hatte. "Die Spieler merken, dass die Spielweise mit dem schnellen Umschalten zum Erfolg führt", sagte Slomka. Nach zehn Sekunden erfolgte unter Slomka in Hannover in der Regel der Torabschluss. Mit diesem Ansatz stand in vier Spielzeiten unter Slomka drei Mal ein einstelliger Tabellenplatz zu Buche, 2011 gar Platz vier.

Neben der Abschluss-Schwäche treibt den neuen Trainer die körperliche Verfassung einiger Spieler um. "Wir brauchen Spieler, die bis zum Saisonende und auch innerhalb von 90 Minuten ein Spiel auf höchstem Niveau durchhalten können. Verletzungsanfälligkeit scheint hier doch ein Thema zu sein", sagte Slomka. Vor seinem Pflichtspiel-Debüt am Sonntag gegen Arminia Bielefeld (13.30 Uhr) ist die Ausgangslage klar: "Wir sind 15. - gerade so. Man braucht eine kleine Serie, um da rauszukommen. Die wollen wir starten." Kevin Großkreutz ist für jeden Blödsinn zu haben. Auch für den geplanten Aufstieg mit dem VfB Stuttgart hat sich der Weltmeister schon etwas Besonderes einfallen lassen. "Wenn wir aufsteigen, stehe ich da nackend", schrieb Großkreutz zu einem Foto, das ihn in den sozialen Netzwerken mit seinem Mitspieler Simon Terodde zeigt. Die "Gefahr", dass Großkreutz im Mai blank ziehen muss, ist relativ groß. Für den VfB zählt nach dem Abstieg aus der Bundesliga nur die sofortige Rückkehr. "Wir müssen liefern. Der Aufstieg ist sozusagen Pflicht", sagte Präsident Wolfgang Dietrich.

Mit 32 Punkten liegt der VfB Stuttgart vor dem Rückrundenstart am Sonntag beim FC St. Pauli (13.30 Uhr) punktgleich hinter Hannover 96 auf dem dritten Platz. Der Druck ist zehn Jahre nach dem sensationellen Gewinn des deutschen Meistertitels groß, dass die Gegner bald wieder FC Bayern oder Dortmund und nicht Heidenheim oder Sandhausen heißen. Nach turbulenten Jahren, die im Sommer im ersten Abstieg seit 1975 mündeten, suchen die Schwaben Konstanz.

Dazu soll Jung-Trainer Hannes Wolf beitragen. Dass der ehemalige Dortmunder U 19-Trainer diese Herausforderung meistern kann, bescheinigen zumindest seine ehemaligen Weggefährten. Von Jürgen Klopp wurde er 2009 in den Verein geholt. Er arbeitete zuletzt auch mit Thomas Tuchel zusammen. "Ich glaube, dass er ein außergewöhnliches Trainer-Talent ist", sagte Tuchel. Der mit 35 Jahren jüngste Trainer der Liga wurde Ende September Nachfolger von Jos Luhukay, der nach nur vier Spieltagen wegen Meinungsverschiedenheiten mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser das Handtuch geworfen hatte. "Es wird immer mehr unsere Mannschaft. Man wächst zusammen", sagte Wolf: "Das war nicht einfach, da reinzustürzen, sofort eine Aufstellung zu machen und zu spielen."

Umso wichtiger war es für Wolf, im ersten Trainingslager als Profi-Cheftrainer in Lagos in Portugal "an Inhalten, Ansprache und Training arbeiten zu dürfen, weil sobald man Aufstellungen macht, ist es eine andere Situation, weil du Spieler enttäuschst". Bei den Testspielen gegen Köln (0:0), Duisburg (0:0) und Lausanne (1:0) zeigte sich vor allem die Defensive stabil.

 Mirko Slomka (schwarze Jacke) ist zurück auf der Fußball-Bühne – beim Karlsruher SC ist sie aber kleiner als erhofft. Foto: Deck/dpa

Mirko Slomka (schwarze Jacke) ist zurück auf der Fußball-Bühne – beim Karlsruher SC ist sie aber kleiner als erhofft. Foto: Deck/dpa

Foto: Deck/dpa

Doch ab Sonntag zählt es nun, damit Stuttgart nicht langfristig ein Schattendasein führt. "Wirtschaftlich wäre der Verein in der Lage, noch ein weiteres Jahr in der 2. Liga zu überstehen", sagte Dietrich: "Aber diese Euphorie, die wir bei Zuschauern und Sponsoren noch haben, die würde wahrscheinlich abnehmen. Der Abstand nach oben wird mit jedem Jahr 2. Liga noch größer."

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