„Widerstand und Gegenwind“

Magdeburg · Mit dem klaren Ja zur Spitzensportreform steht der Deutsche Olympische Sportbund DOSB erst am Beginn eines schwierigen Weges. „Sportdeutschland“ droht in den nächsten Jahren eine Zerreißprobe.

 Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, stand in Magdeburg bei der Mitgliederversammlung des DOSB stark in der Kritik. Foto: Peter Gercke/dpa

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, stand in Magdeburg bei der Mitgliederversammlung des DOSB stark in der Kritik. Foto: Peter Gercke/dpa

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Alfons Hörmann wollte nach dem eindrucksvollen Signal der Einheit keine Zeit mehr verschwenden. "Ich verspreche, dass wir mit der Umsetzung keine Woche warten, sondern direkt am Montag beginnen", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), nachdem 98,6 Prozent der Delegierten bei der Mitgliederversammlung in Magdeburg am Samstag für die Spitzensportreform gestimmt hatten.

Hörmann wertete das Erdrutsch-Votum als "Steilvorlage". Dennoch steht "Sportdeutschland" bei der Umsetzung des millionenschweren Medaillenbeschaffungsprogramms vor einer Zerreißprobe. Auch Hörmann sieht Konfliktpotenzial. "Wir sind nicht am Ziel angekommen, sondern erst am Start", sagte er: "Die Frage ist: Wie schaffen wir es, Akzeptanz über alle Ebenen zu erreichen?", fragte Hörmann und prognostizierte "Widerstand und Gegenwind".

Neben Hörmann stand vor dem Sitzungssaal im Magdeburger Maritim-Hotel Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, und sprach einen Aspekt an, der sich neben Themen wie Stützpunktschließungen zu einem gewaltigen Zankapfel entwickeln dürfte: das liebe Geld. "Der Bundesminister ist nicht jemand, der mit einem großen Sack Geld herumläuft und das nach Belieben verteilen kann", sagte Engelke: "Wir brauchen ein System, in dem transparent nachvollzogen werden kann, wofür das Geld ausgegeben wird." Man wolle sich erst mal anschauen, "wie die Reform wirken wird". Der größte Geldgeber will erst bewerten, bevor er (mehr) zahlt.

Der Reform droht also ein Henne-Ei-Problem. DOSB-Vizepräsident Ole Bischof jedenfalls lief mit seinem Vorstoß, den er salopp "Cappuccino-Rechnung" nannte, in Magdeburg direkt vor die Wand, als er für die teure Reform kurzerhand "20 Millionen Euro oben drauf, es darf auch gerne etwas mehr sein" forderte. Während der abschließenden Pressekonferenz versuchte der Judo-Olympiasieger, die 20-Millionen-Aussage Engelke zuzuschreiben. Der BMI-Mann hatte in seiner Rede aber nur betont, dass die Spitzensport-Finanzierung in der laufenden Legislaturperiode um genau jene Summe aufgestockt worden war.

Hörmann schritt ein und stellte klar: "Erst wird das Konzept fertiggestellt, dann machen wir die Kalkulation, dann reden wir über die Mittel." Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sollen die DOSB-Oberen allerdings in Berlin bereits einen Mehrbedarf von 55 Millionen Euro angemeldet haben.

In den Verbänden herrscht die große Sorge, dass sich mit dem auch für sie unumgänglichen Ja zur Reform die Möglichkeit der Einflussnahme erschöpft hat. Deshalb setzten sie noch am Abend vor der Versammlung eine Änderung der Beschlussvorlage durch. Dort heißt es nun, es bedürfe "einer Fortschreibung der Inhalte sowie einer Weiterentwicklung und Spezifizierung der Maßnahmen". Auf diesen Zusatz angesprochen, wichen Hörmann und Engelke aus und ließen nicht unbedingt den Willen zu Anpassungen am Reformwerk erkennen. "98,6 Prozent der Mitglieder sind für den Beschluss - das ist das, was für uns zählt", sagte Engelke. Hörmann ergänzte: "Für uns auch, Ausrufezeichen!"

Nun also geht es an die Umsetzung. Ein großes Bearbeitungsfeld ist "PotAs", das Potenzial-Analyse-System, vor dem viele Verbände Angst haben. Es teilt die Sportverbände in die drei Fördergruppen ein. Wer im dritten landet, kann nur noch mit einer geringen Basisförderung rechnen. Die sogenannte "PotAs"-Kommission wird besetzt werden, die Beurteilungs-Attribute sollen noch mal auf den Prüfstand kommen, dann soll ein Testlauf den Ernstfall simulieren.

Es wird viel auf die DOSB-Führung ankommen, ob es ihr gelingt, die Mitglieder auf dem schwierigen Weg mitzunehmen. Hörmann, der zuletzt wegen mehrerer misslungener Kommunikationsversuche in der Kritik gestanden hatte, gelang es in Magdeburg zumindest nicht, die gewünschte Aufbruchstimmung zu erzeugen - auch weil er es versäumte, ein klares Wort des Bedauerns an die Mitglieder zu richten. Hörmann sah das anders. Den Satz "Ich sage Ihnen zu, dass wir uns des Themas annehmen und uns allen gemeinsam selbstkritisch die Frage stellen: Wie schaffen wir es, Fehler zuzulassen und zu akzeptieren?" hielt er für Entschuldigung genug.

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