„Kein eindeutiger Vorteil“

Köln · Markus Rehm hat auch nach einer Studie noch keine Gewissheit, ob ihm seine Prothese beim Weitspringen einen Vor- oder Nachteil bietet – mit Blick auf Olympischen Spiele in Rio ist das vermutlich zu wenig.

 Prothesen-Weitspringer Markus Rehm will nicht nur an den Paralympics teilnehmen, sondern auch an den Olympischen Spielen. Eine neue Studie gibt ihm Rückenwind. Foto: Hoppe/dpa

Prothesen-Weitspringer Markus Rehm will nicht nur an den Paralympics teilnehmen, sondern auch an den Olympischen Spielen. Eine neue Studie gibt ihm Rückenwind. Foto: Hoppe/dpa

Foto: Hoppe/dpa

Auf einer Werbewand in seinem Rücken stand der große Traum von Markus Rehm in fünf Worten: "Auf dem Sprung nach Rio". Und tatsächlich wollte der unterschenkelamputierte Weitspringer gestern Zuversicht verbreiten, dass sein Olympia-Traum doch wahr wird. Das Lächeln des Prothesen-Springers wirkte aber auch oft gequält, denn die mit Spannung erwartete wissenschaftliche Studie hat zwar keinen Beweis erbracht, dass der Weitenjäger dank seiner Prothese Vorteile gegenüber gesunden Sportlern hat. Doch der Weg nach Rio ist für ihn 67 Tage vor Beginn der Spiele keineswegs kürzer geworden.

"Man konnte keinen Vorteil durch die Prothese feststellen. Das macht mich glücklich", sagte Rehm, nachdem die Ergebnisse der Studie renommierter Wissenschaftler aus Deutschland, den USA und Japan auf einer Pressekonferenz im Sport- und Olympiamuseum in Köln präsentiert worden waren.

"Wir konnten Nachteile bei Athleten mit Unterschenkelamputationen beim Anlauf feststellen, die wir eindeutig der Prothese zuweisen konnten", erklärte Studienleiter Professor Wolfgang Potthast vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln . Doch es gab auch ein großes Aber. "Beim Absprung haben wir aufgrund der verbesserten Sprungeffizienz aber Vorteile erkannt", sagte Potthast: "Das sind völlig unterschiedliche Bewegungstechniken, die Stand jetzt nicht eindeutig gegeneinander aufzuwiegen sind."

Rehm nahm das Urteil, das für ihn durchaus hätte schlechter ausfallen können, dennoch keineswegs mit heller Freude auf. Denn der 27 Jahre alte Leverkusener wird kaum alle Widerstände des Weltverbandes IAAF brechen können. Schließlich hatte die IAAF im August 2015 eine entsprechende Regeländerung beschlossen, nach der die Sportler selbst nachweisen müssen, durch "mechanische Hilfen" keinen Vorteil zu haben. Und Rehm scheint diesen beim Absprung zu haben.

"Nach dem Leitspruch ,Im Zweifel für den Angeklagten' könnte ich versuchen, mich nach Rio zu klagen", sagte Rehm. Dies sei aber nicht sein Ziel, sagte der 8,40-Meter-Springer, der unter den Para-Sportlern schon längst keine Gegner mehr hat, dessen Erfolge in der Leichtathletik-Welt der nicht behinderten Sportler aber nicht überall gern gesehen sind. Stattdessen wolle er "den olympischen und paralympischen Sport zusammenbringen". Dabei gilt für ihn nicht das Motto "Olympia oder nix". Er werde "natürlich bei den Paralympics starten", die gut zwei Wochen nach den Sommerspielen am 7. September beginnen. Dennoch habe er die Hoffnung "nicht aufgegeben, bei Olympia zu starten - nicht um Medaillen, sondern um dem paralympischen Sport eine Bühne zu geben". Daher erwarte er, dass "ein Schritt auf mich zugemacht wird. Die IAAF hat die gesellschaftliche Pflicht, sich Gesprächen zu öffnen".

Auch Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, nahm die von Krisen geplagte IAAF in die Pflicht: "Es wurde vom Athleten der Nachweis gefordert. Es gibt kein Ergebnis, das für einen Vorteil spricht. Was hält die IAAF auf? Sie muss sich nun bewegen."

Meinung:

IAAF macht es sich zu einfach

Von SZ-Redakteur Kai Klankert

Prothesenläufer Oscar Pistorius durfte 2012 an den Olympischen Spielen teilnehmen - er hatte sich sein Startrecht vor dem Internationalen Sportgerichtshof erstritten. Die Folge daraus, um weitere Fälle dieser Art zu verhindern: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF verabschiedete eine Regel, wonach der Athlet selbst belegen muss, ob er dank seiner Prothese einen Vorteil hat oder nicht.

Damals war schon klar: Eine eindeutige Antwort darauf wird keine Studie geben, und genau diese Einschätzung wurde gestern im Fall des Weitspringers Markus Rehm wenig überraschend bestätigt.

Die IAAF hatte seinerzeit die Verantwortung dem Athleten zugeschoben - und es sich damit in einer schwierigen Frage einfach gemacht. Der Weltverband ist jetzt erneut am Zug: Und er muss dann dazu stehen, dass er eine Inklusion in der Leichtathletik vielleicht gar nicht will.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort