Die Fernsehwelt steht Kopf

Hamburg · Die Deutsche Kreditbank wird die Spiele von Handball-Europameister Deutschland bei der WM in Frankreich übertragen. Ein Novum, das zeigt: Zuschauer müssen sich auf eine neue Fernsehsportwelt einstellen.

 Die Bilder der Kameras bei der anstehenden Handball-WM in Frankreich werden in Deutschland nur über die Internetseite der Deutschen Kreditbank zu sehen sein. Foto: Axel Heimken/dpa

Die Bilder der Kameras bei der anstehenden Handball-WM in Frankreich werden in Deutschland nur über die Internetseite der Deutschen Kreditbank zu sehen sein. Foto: Axel Heimken/dpa

Foto: Axel Heimken/dpa

Der Deutsche Handball-Bund feiert, der Sponsor frohlockt - und der Zuschauer fragt sich, welche Folgen die völlig überraschende Lösung mit der Deutschen Kreditbank als Anbieter der Live-Übertragungen der deutschen Spiele bei der Weltmeisterschaft in Frankreich hat. Fakt ist: Das Novum in der TV-Geschichte ist ein harter Schlag für das klassische Fernsehen. Doch die TV-Bilder von den Auftritten des Europameisters per gesponsertem Internet-Livestream dürften erst der Anfang sein. Die herkömmliche Fernsehwelt gerät aus den Fugen.

"Das ist ein Zeichen für eine neue Fernsehwelt im Sport, die deutlich ausdifferenzierter ist als noch in der Vergangenheit", sagte Thomas Horky, Professor für Sportkommunikation an der Hochschule Macromedia, und bezeichnete das Engagement der DKB als "neue Stufe" auf dem internationalen Rechtemarkt. Nie zuvor hatte es ein ähnliches Projekt gegeben. Jahrzehntelang hatte es in der öffentlichen Wahrnehmung nur klassische Sender wie ARD , ZDF , RTL oder Bezahlsender Sky gegeben. "Nun ist die Medienlandschaft deutlich vielfältiger", sagte Horky und fügte an: "Wir stehen bei dieser Entwicklung erst am Anfang."

Die DKB, ein Premiumsponsor des DHB und der Handball-Bundesliga , hatte am Donnerstag quasi auf den letzten Drücker die Live-Übertragungsrechte vom Rechteinhaber beIN Sports erworben und zeigt neben den Spielen der deutschen Mannschaft noch weitere WM-Partien. Das Unternehmen soll dafür laut Bild-Zeitung über eine Million Euro bezahlt haben. Die Verhandlungen von ARD und ZDF und auch des Bezahl-Senders Sky waren zuvor gescheitert.

"Wenn es in Deutschland keine Livebilder von der WM gegeben hätte, wäre der Wert des Engagements für die Sponsoren enorm gesunken", sagte Wissenschaftler Horky. Der Hamburger sieht im Vorstoß der DKB einen "ernstzunehmenden Versuch einer medialen Vermarktung von Sponsoringrechten in Eigenregie. Für den Zuschauer bedeutet das auf der einen Seite mehr Vielfalt. Doch gleichzeitig ist auch eine Verwässerung des Angebots zu erwarten. Die journalistische Qualität wird darunter leiden", mutmaßte Horky.

Eine Konsequenz der neuen Möglichkeiten der Internet-Übertragungen sei, dass Veranstalter sich zunehmend Produktionsagenturen suchen würden, um das Livesignal meistbietend an beliebige Unternehmen weiterzuvermarkten. "Die Macht der Vereine und Verbände wird dadurch deutlich größer", sagte Horky.

ARD und ZDF sehen das Engagement der DKB kritisch. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky hält Sponsoren-TV für "keine Alternative zum frei empfangbaren Fernsehen mit dessen journalistisch-qualitativer Herangehensweise". Als "sehr missliche Situation" bezeichnete das ZDF die ausschließliche Berichterstattung über die Internetseite der DKB.

Der Vermarkter Lagardère Sports, der die überraschende Sponsoren-Lösung eingefädelt hatte, glaubt nicht, dass dadurch die journalistische Neutralität verloren geht. "Da fehlt mir die Fantasie. Wer auch immer die Spiele kommentieren wird, wird ja nicht sagen, dass der Siebenmeter deshalb verwandelt wurde, weil der Spieler einen Kreditvertrag bei der DKB hatte", sagte Stefan Felsing von Lagardère.

Die DKB steckt unterdessen voll in den Planungen für die Live-Übertragungen. "Wir wollen eine attraktive Übertragung bieten und klären die Details", sagte ein DKB-Sprecher. Am Montag soll es Fakten geben.

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