Auf den Autogrammkarten, die im Vip-Raum auslagen, posierte Marcel Nguyen in einem schneeweißen Luxus-Schlitten seines Hauptsponsors. An den Turngeräten in der Gießener Sporthalle Ost ging ihm diese Lässigkeit noch ab. "Ich habe schon noch Respekt", sagte der Olympiazweite von London und schielte auf sein rechtes Knie.

Vor einem Jahr riss dem zweimaligen Europameister bei der WM-Vorbereitung das vordere Kreuzband. Umso erleichterter war der 28-Jährige, dass er bei den deutschen Meisterschaften in Gießen nicht nur zwei Titel (Ringe, Barren) holte, sondern auch gesundheitlich keinen Rückschlag erlitt: "Ich kann mit einem guten Gefühl nach Hause fahren."

Schließlich gab es Phasen, in denen Nguyen ernsthaft an seiner rechtzeitigen Genesung zweifeln musste. Kurz vor Weihnachten 2014 musste er nachoperiert werden, es fehlte dem Knie an der notwendigen Beweglichkeit. In diese Phase fiel auch sein überraschender Vereinswechsel vom MTV Stuttgart zum TSV Unterhaching mit Zweitstartrecht in der Bundesliga für Straubenhardt.

Sein langjähriger Kumpel Fabian Hambüchen jedenfalls ist froh, dass Nguyen wieder zurück ist: "Wir werden ihn bei der WM dringend brauchen." Dort muss die deutsche Riege Ende Oktober mindestens den achten Platz belegen, um sich direkt für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu qualifizieren.

Selbst mit Nguyen wird das ein schwieriges Unterfangen, zumal der Halbvietnamese in Gießen auf Boden und Sprung verzichtete, um sein Knie zu schonen. Während der WM-Vorbereitung in Kienbaum soll entschieden werden, ob der Routinier in der schottischen Metropole einen Sechskampf turnen kann oder nicht.