Rio als Signal des Aufbruchs

Frankfurt · Für die deutschen Athleten wie auch für den gesamten internationalen Behindertensport waren die Paralympics 2016 in Brasilien ein großer Erfolg. Doch die Frage ist: Was kommt danach?

 Markus Rehm feiert seine Goldmedaille bei den Paralympics in Rio mit einem Freudensprung. Der 28-Jährige ist das Aushängeschild des deutschen Behindertensports. Foto: Nietfeld/dpa

Markus Rehm feiert seine Goldmedaille bei den Paralympics in Rio mit einem Freudensprung. Der 28-Jährige ist das Aushängeschild des deutschen Behindertensports. Foto: Nietfeld/dpa

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Sportpresseball in Frankfurt , ein nasskalter Abend im November. An der Alten Oper hält eine Limousine. Dort, wo in den Minuten zuvor schon Stars wie Wladimir Klitschko oder Fabian Hambüchen bis zum Roten Teppich chauffiert wurden, steigen nun aus: Heinrich Popow, der oberschenkel-amputierte Sprinter. Danach Niko Kappel, der kleinwüchsige Kugelstoßer. Die Paralympics sind in diesem Jahr endgültig angekommen in der Welt des großen Sports.

Der Sportpresseball lieferte dazu bloß die passenden Bilder - etwa als Kappel und sein Speerwurf-Kollege Mathias Mester auf dem Roten Teppich mit der Boulevard-Größe Verena Pooth posierten. Wie sich der Behindertensport an sich entwickelt hat, wurde besonders bei den Paralympischen Spielen im September in Rio de Janeiro deutlich. Da gewann der deutsche Prothesenspringer Markus Rehm den Weitsprung mit einem Weltklassesatz auf 8,21 Meter. Beim 1500-Meter-Lauf der Sehbehinderten waren vier Athleten sogar schneller als der Amerikaner Matthew Centrowitz bei seinem Olympia-Sieg dreieinhalb Wochen zuvor.

"Wir paralympischen Athleten haben gezeigt, dass wir uns nicht hinter den olympischen Athleten verstecken müssen", sagt Rehm. Mit dem etwas verstaubten Image des Reha- und Versehrtensports haben die Paralympics nichts mehr zu tun. Sie sind längst zu einer Hochleistungsveranstaltung geworden - mit allem, was in der heutigen Zeit Dazu gehört. Auch beim Behindertensport wird gedopt, sich inszeniert, auf höchstem Niveau trainiert und das Publikum wahlweise zum Zittern, zum Jubeln und zum Staunen gebracht.

"Die Leute sehen nicht mehr nur unsere Handicaps, sondern unsere Leistungen", sagt Rehm: "Früher sind die Paralympics kaum wahrgenommen worden. Mittlerweile aber ist unsere Aufmerksamkeit gestiegen. Wir haben einen Riesenschritt gemacht." Ein weiteres Zeichen dafür: Ab 2017 erhält der Behindertensport jährlich 1,5 Millionen Euro mehr an Fördergeldern. Das entschied der Deutsche Bundestag. "Wir freuen uns natürlich über diese zusätzlichen Mittel, wir benötigen sie allerdings auch dringend", sagt Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Die Professionalisierung seines Sports schreite kontinuierlich voran. Wenn der DBS international konkurrenzfähig bleiben wolle, "muss er seine Strukturen ausbauen und verbessern".

Markus Rehm hat an dieser Entwicklung einen großen Anteil. Der 28-Jährige ist das Gesicht des deutschen Behindertensports. Es bleibt sein großes Ziel, in Zukunft auch an den Meisterschaften der Nicht-Behinderten teilzunehmen. Bei Olympia 2016 klappte das noch nicht, weil der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF von ihm einen wissenschaftlich exakten Nachweis fordert, dass seine Prothese ihm in einem solchen Wettkampf keinen Vorteil verschafft. Jetzt will Rehm zur WM 2017 in London. "Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht ganz am Ziel angekommen", sagt er dazu.

Markus Rehm im Finale einer Leichtathletik-WM - das hätte für den gesamten Behindertensport einen enormen Werbewert. Denn genau darum geht es dieser Bewegung im Jahr nach Rio 2016: endlich auch einmal mehr Aufmerksamkeit zwischen den Paralympics zu bekommen. Rio sei "das erhoffte Signal in unserem Kampf für mehr Aufmerksamkeit gewesen", sagt Beucher. "Es ist uns gelungen, die Faszination, die von diesen Spielen ausgeht, erneut zu transportieren. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir diesen Schwung für die weitere Entwicklung des Behindertensports in Deutschland nutzen können." Die Athleten seien "Vorbilder für Menschen mit und ohne Behinderung. Deswegen haben sie Aufmerksamkeit verdient - auch nach den Paralympics ".

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