„Verlieren muss man lernen“

Hoffenheim. Julian Nagelsmann, jüngster Cheftrainer in der Geschichte der Fußball-Bundesliga, ist heute 50 Tage im Amt. Wie er sich und seinen Club 1899 Hoffenheim im Abstiegskampf einschätzt, hat er sid-Mitarbeiter Alexander Sarter im Interview verraten.

 Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann hat seine Mannschaft im Abstiegskampf „wiederbelebt“. Der 28-Jährige scheint bei seinen Spielern den richtigen Nerv getroffen zu haben. Foto: Charisius/dpa

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann hat seine Mannschaft im Abstiegskampf „wiederbelebt“. Der 28-Jährige scheint bei seinen Spielern den richtigen Nerv getroffen zu haben. Foto: Charisius/dpa

Foto: Charisius/dpa

Herr Nagelsmann, konnten Sie trotz der Anspannung im Abstiegskampf Ostern genießen?

Julian Nagelsmann: Ich habe mich bemüht, ein bisschen Ruhe bei mir reinzubekommen. Auch wenn die Gedanken schon um den nächsten Gegner kreisen. Ich habe ein bisschen Sport gemacht, das ist gut für den Kopf.

Können Sie überhaupt richtig abschalten?

Nagelsmann: Es ist meine große Zielsetzung, auch abschalten zu können. Dabei steht die Familie ganz weit oben.

Sind die ersten Wochen im Amt denn so verlaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Nagelsmann: Es war mir bewusst, dass meine Verpflichtung ein paar Wellen schlagen wird. Ich kann aber gut damit leben. Ich werde schon gelegentlich angesprochen, aber ich führe nach wie vor ein völlig normales Leben.

Ist es ein Vorteil, dass Sie aufgrund Ihrer Jugend die Sprache der Spieler sprechen?

Nagelsmann: Es kann natürlich ein Vorteil sein. Aber die Spieler ticken alle anders. Einige achten auch nur auf die Inhalte von dem, was man anbietet.

Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrer Zeit als Jugendtrainer vermissen?

Nagelsmann: Mir fehlt nichts aus dem Jugendbereich. Losgelöst von der medialen Seite ist die Arbeit ähnlich. Natürlich ist der Aspekt der Menschenführung anspruchsvoller.

Wie wichtig ist die Menschenführung für einen Bundesliga-Trainer?

Nagelsmann: Sie ist genauso wichtig wie die Inhalte. Ich denke, das gilt für alle Bereiche, in denen eine große Gruppe zusammenarbeitet - losgelöst vom Fußball.

Haben Sie schon einen Wunschzettel für die nächste Transferperiode, und wie gehen Sie mit Wechselgerüchten um?

Nagelsmann: Kaderplanung ist jeden Tag ein Thema. Das ist ein fortlaufender Prozess. Ich habe aber keinen Wunschzettel. Das ist eine gemeinschaftliche Arbeit im Verein. Es gibt immer Gerüchte über Transfers und Spieler, die den Verein verlassen. Das beeinflusst unsere Arbeit nicht.

Gibt es für Sie Vorbilder unter den Trainern?

Nagelsmann: Ich habe eigentlich keine, man kann sich aber von vielen Trainern eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel bei Ottmar Hitzfeld seinen Umgang mit den Stars.

Sind sie eigentlich als Trainer ein Perfektionist?

Nagelsmann: Ich habe mich davon verabschiedet, von Perfektion zu träumen. Jeder Mensch macht Fehler. Grundsätzlich bin ich aber zufrieden, was die Mannschaft in den vergangenen Wochen umgesetzt hat.

Wie gut können Sie verlieren? Darf man Sie nach Niederlagen ansprechen oder besser nicht?

Nagelsmann: Bis jetzt durfte mich auch nach Niederlagen jeder ansprechen - auch wenn die Antwort vielleicht ein bisschen pampig war. Es gehört dazu, das Verlieren zu lernen.

Glauben Sie, dass Sie der Türöffner für junge Trainer sind?

Nagelsmann: Das weiß ich nicht. Es kommt immer auf die Konstellation bei den Vereinen an. Es muss eben für beide Seiten passen, das Alter ist eher zweitrangig.

Stichwort Max Kruse: Wie viel Freiraum lassen Sie den Spielern?

Nagelsmann: Ich bin keiner, der die Spieler in ihrer Freizeit kontrolliert. Ich appelliere an den Leistungsgedanken. Deshalb hoffe ich, dass die Spieler auch professionell leben. Bisher bin ich zufrieden damit.

Was antworten Sie der Mannschaft, wenn sie nach dem letzten Spieltag einen trinken gehen möchte?

Nagelsmann: Wenn wir dringeblieben sind, sage ich sicher nicht nein.

Welche Schlagzeile wünschen Sie sich am Saisonende?

Nagelsmann: Die Überschrift, dass die Mannschaft sich in der Bundesliga gehalten hat, reicht.

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