Der ewige Gladbacher

Berlin · Sein jüngster Posten als Berater im US-Verband ist Geschichte. Doch auch mit 70 fühlt sich Berti Vogts weiter bereit für das Fußball-Geschäft. Einen Titel als Assistent stuft der „Terrier“ als seinen größten sportlichen Triumph ein.

 Berti Vogts (links) steigt im WM-Finale von München 1974 vor Johan Cruyff zum Kopfball hoch. Vogts, der heute 70 Jahre alt wird, galt als knallharter Verteidiger. Foto: DB/dpa

Berti Vogts (links) steigt im WM-Finale von München 1974 vor Johan Cruyff zum Kopfball hoch. Vogts, der heute 70 Jahre alt wird, galt als knallharter Verteidiger. Foto: DB/dpa

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"Nein, nein", Schluss soll jetzt noch nicht sein mit dem Fußballgeschäft, sagt Berti Vogts . Als Rentner sieht sich der "Terrier", der am heutigen Freitag seinen 70. Geburtstag feiert, keinesfalls. "Ich könnte mir schon was anderes vorstellen. Wir werden sehen, was sich tut. Zuhause sitzen oder jeden Tag auf dem Golfplatz den Ball ins Aus hauen - das kann ich nicht", betont der Welt- und Europameister . Vogts hat als Profi die WM (1974) und die EM (1972) gewonnen, war deutscher Meister, Pokalsieger und Uefa-Cup-Gewinner mit Borussia Mönchengladbach - dem Verein, dem er immer treu blieb als Spieler. Als Bundestrainer machte er Deutschland 1996 zum Europameister . Es war lange der letzte Titel für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) - bis Joachim Löw 2014 mit der Nationalmannschaft Weltmeister wurde.

Ob er sich ein wenig geärgert habe, dass ihn Löw nun als aktuellsten Titeltrainer abgelöst hat? "Dann müsste ich etwas falsch gemacht haben", bemerkte der Jubilar: "Ich freue mich über jeden Titel, ich habe dem Fußball alles zu verdanken." Der nach dem frühen Tod seiner Eltern als Waise aufgewachsene Vogts hatte erst noch Werkzeugmacher gelernt, bevor er als 18-Jähriger für 28 000 Mark Ablöse vom VfR Büttgen zu seiner großen Liebe Borussia Mönchengladbach wechselte. Noch heute sei er bei jedem Heimspiel der Borussia dabei, wenn es die Zeit erlaube, berichtet Vogts. Am liebsten sieht er sich die Spiele mit seinem 27 Jahre alten Sohn Justin an, der in Mönchengladbach-Rheydt als Berufs-Feuerwehrmann arbeitet.

Zeit hat Vogts jetzt wieder genug, denn sein Berater-Dienst für den US-amerikanischen Fußball-Verband ist nach der Suspendierung von Jürgen Klinsmann vorbei. "Natürlich, ich kann doch nicht mehr weiter arbeiten, wenn sie Jürgen entlassen haben. Ich bin sofort auf die Verantwortlichen zugegangen und habe gesagt, meine Arbeit ist beendet", erzählt Vogts. Klinsmann sei vor allem an den unrealistischen Ansprüchen der Amerikaner gescheitert. "Man hat nur auf etwas gewartet, das Geschäft kennt man ja, die Emotionen gehen hoch." Dabei habe sein einstiger Lieblingsschüler den "Fußball von morgen" organisiert, wie schon beim DFB. "Davon profitiert der deutsche Verband heute noch", meint Vogts.

Im Schwarzwald-Hotel Traube Tonbach feiert Vogts wie meist in den letzten 30 Jahren seinen Geburtstag und den Jahreswechsel. Jüngst habe er seinen ehemaligen Präsidenten Egidius Braun getroffen und mit dem 91-jährigen Ex-DFB-Chef über alte Zeiten geplaudert. "Es war nicht so so einfach damals. Als ich als Nachwuchstrainer 16 Stützpunkte in Deutschland haben wollte, haben sie gesagt: ,Wir haben kein Geld, Herr Vogts'. Heute gibt es über 300 Stützpunkte."

Auch deshalb stuft Vogts in seiner langen Erfolgsliste den WM-Triumph von 1990, als er Assistent von Teamchef Franz Beckenbauer war, als Nummer eins ein. Noch vor dem WM-Sieg als Spieler 1974. "Das war das geringste Problem. Wir Niederrheiner kennen den holländischen Fußball in- und auswendig. Wenn wir sie nicht schlagen, müssen wir eine schwache Mannschaft haben", scherzt Vogts über den Finalsieg.

1990 aber seien 18 Spieler Weltmeister geworden, "die bei mir in der Jugend oder der U 21 gespielt haben", unterstreicht der einst kompromisslose Verteidiger stolz. In seiner Rangliste folgt der EM-Triumph als Bundestrainer auf Rang zwei. "1994 hatten wir die besseren Einzelspieler. Aber 1996 waren wir eine Top-Mannschaft, in der jeder für jeden was gegeben hat. Vor dem Finale hatten wir nur noch neun gesunde Spieler. Oliver Reck hatte schon ein Feldspieler-Trikot - und wir haben es trotzdem geschafft", erinnert Vogts an seinen zweitwertvollsten Erfolg.

Die ganz große Anerkennung wie seine Vorgänger Helmut Schön oder Franz Beckenbauer bekam Vogts von den deutschen Fans nie. "Wenn der Franz übers Wasser läuft, sprechen alle von Gott. Wenn ich über das Wasser laufe, heißt es: Der kann ja nicht mal schwimmen", hat Vogts einst die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beschrieben.

Nach einem Kurzgastspiel als Trainer von Bayer Leverkusen suchte der "Terrier" im Ausland seine Chance. In Kuwait, Nigeria, Aserbaidschan kam er sich als Nationaltrainer oft auch als Entwicklungshelfer vor. Für ihn persönlich sei Schottland die wichtigste Auslandsstation gewesen. "Die Fans lieben den Fußball." Und dann begann in Schottland auch noch die Liebe zum Golf: "Wer in Schottland Trainer war und nicht Golf spielen kann, da kann etwas nicht stimmen", sagt Vogts.

Der Blick auf das eigene Land hat sich durch diese Trainer-Stationen verändert. Für viele Menschen in anderen Ländern seien Deutschland und der deutsche Fußball ein Vorbild, berichtet Vogts. "Wir müssen wirklich aufpassen, wie wir mit unserem Land umgehen", warnt der Mann aus Korschenbroich: "Wir müssen weiter ein offenes, ein zuverlässiges Land sein."

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