Börsianer jubeln, Sparer verlieren

Frankfurt · Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer Zinssenkung vielen eine Freude gemacht, zum Beispiel dem Bundesfinanzminister oder all denen, die Kredite aufnehmen. Wer spart, hat es dagegen schwerer, Erträge zu erzielen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Zins quasi abgeschafft. Geschäftsbanken müssen künftig sogar dafür bezahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Gleichzeitig verabreichen die Währungshüter der Finanzbranche neue Milliardenspritzen. Die Entscheidungen der EZB vom Donnerstag wirken sich sehr unterschiedlich aus:

Die Gewinner:

Kreditnehmer: Egal ob Verbraucher oder Unternehmen - wer sich Geld leiht, kann auf sehr günstige Zinsen hoffen. Es war es selten so günstig wie heute, ein Eigenheim zu finanzieren. Nach Zahlen der FMH-Finanzberatung fielen die Hypothekenzinsen im Mai auf ein neues Tief. Der Effektivzins für Baugeld mit zehnjähriger Laufzeit liegt demnach bei 2,21 Prozent. Vor fünf Jahren waren es noch 4,49 Prozent.

Der Bundesfinanzminister: Der Staat profitiert seit Jahren vom niedrigen Zinsniveau, das den Schuldendienst verbilligt. Jede Zinssenkung lohnt sich: Nach Zahlen der Deutschen Bundesbank lagen die deutschen Staatsschulden 2013 bei 2,15 Billionen Euro. "Der deutsche Staatshaushalt könnte bis 2015 in etwa ausgeglichen bleiben, im Jahr 2016 könnte ein merklicher Überschuss erreicht werden", schreiben die Experten der Notenbank.

Kriselnde Banken: Die EZB bietet den Banken neue Milliardenspritzen an, um die Kreditvergabe vor allem in den südlichen Euroländern anzukurbeln. "Das senkt die Refinanzierungskosten von Banken, die Kredite an Unternehmen und den Privatsektor vergeben", erklärt EZB-Präsident Mario Draghi.

Aktionäre: Seit Jahren ist das billige Geld der Notenbanken wichtigster Treiber für die Börsen. Direkt nach der Zinsentscheidung am Donnerstag sprang etwa der deutsche Leitindex Dax erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 10 000 Punkten. "Die EZB dürfte einen Grundstein für weitere Kursgewinne gelegt haben", sagen Analysten der DZ Bank.

Krisenländer: Das EZB-Maßnahmenpaket zielt darauf ab, die Konjunktur in Europa in Schwung zu bringen - und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Mit ihren Maßnahmen kauft die EZB den Krisenstaaten Zeit, weitere Reformen umzusetzen.

Konsum in Deutschland: Durch hohe Beschäftigung, steigende Löhne und mickrige Zinsen sitzt das Geld der Verbraucher in Deutschland so locker wie lange nicht. Davon dürften der Einzelhandel und die Konjunktur insgesamt profitieren.

Die Verlierer:Sparer: Auch wenn die Inflation niedrig ist, die Zinsen auf Sparbuch oder Tagesgeld sind noch mickriger. Damit verlieren Sparer real Geld. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon beziffert den Verlust der Sparer, die fürs Alter vorsorgen, allein in Deutschland auf 15 Milliarden Euro pro Jahr: Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), warnt deshalb vor "massiven Lücken in der Altersversorgung künftiger Rentner".

Investoren: Zunächst treibt das billige Geld Börsenkurse und Immobilienpreise zwar weiter nach oben. Doch damit steigt auch die Gefahr der Blasenbildung. Die EZB hat bereits vor neuen Gefahren an Aktien- und Anleihemärkten gewarnt. Die Jagd vieler Investoren nach Rendite berge das Risiko, dass es zu einem "scharfen und ungeordneten Abbau der jüngsten Kapitalflüsse" komme.

Versicherer und Banken: Für Versicherer sind niedrige Zinsen Gift. Sie können mit dem Geld aus den Beitragseinnahmen kaum Renditen erzielen, was auch die Renditen ihrer Produkte drückt. Auch für Banken, die auf das Kredit- und Einlagengeschäft ausgerichtet sind, werde es nun schwerer, angemessene Erträge zu erwirtschaften, sagte Deutschlands oberster Bankenaufseher Raimund Röseler.

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