Metzger räumt mit Gerüchten auf

Völklingen · Noch mehr als Gebäude prägen Menschen das Gesicht einer Stadt. Zu ihnen zählt Roland Niebes. In der dritten Generation führt er seine Metzgerei in der Poststraße. Seine Spezialität: Er verkauft Pferdefleisch aus der eigenen Schlachtung.

 Respekt vor dem Lebewesen und dessen Verzehr ist für Roland Niebes kein Widerspruch. Foto: Jenal

Respekt vor dem Lebewesen und dessen Verzehr ist für Roland Niebes kein Widerspruch. Foto: Jenal

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Pferdefleisch schmeckt süß. Pferdefleisch stammt von alten Gäulen. Pferdefleisch ist voller Urin, weil Pferde keine Nieren haben. Über solche Behauptungen kann Roland Niebes, Inhaber der Pferdemetzgerei in der Völklinger Poststraße, nur noch lachen. "Früher waren diese Horrorgeschichten weit verbreitet", sagt er, "und dass sie sich so hartnäckig hielten, hat mehrere historische Ursachen." Im Mittelalter hatte ein Papst den Verzehr von Pferden verboten, weil er sie als Kampfrösser brauchte. "Ebenso der alte Fritz", erläutert Niebes, "der die vierbeinigen Panzer in seinen Kriegen einsetzte, und er ließ auch das Gerücht mit den Nieren streuen. Und nicht zuletzt steckt in den Deutschen auch noch die Haltung der Germanen zum Pferd, das zwar geopfert, aber nicht einfach so verspeist werden durfte."

Aber die Vorurteile schwinden, wie Niebes bestätigt. Der 54-jährige Fleischermeister führt seinen Familienbetrieb in Völklingen in der dritten Generation. Der Großvater hatte 1898 das Geschäft in der Bismarckstraße eröffnet, zog dann zum Marktplatz und ab 1907 in die Poststraße 38. Als der Vater von Roland Niebes 1976 starb, übernahm dessen Frau Adele das Geschäft, das sie 1998 ihrem Sohn und seiner Frau Maike übergab. "Meine Mutter ist nun 77 Jahre alt, aber von Ruhestand will sie nichts wissen, und so betreibt sie weiterhin unsere angeschlossene Gaststätte." Auch an seine Tante Elisabeth werden sich noch viele ältere Völklinger erinnern: Sie servierte noch im hohen Alter den Gästen das tägliche Mittagessen, und wenn manche listigen Gäste es wagten, ein Cola zu bestellen, lösten sie Empörung aus bei Tante Elisabeth, wie Roland Niebes berichtet: "Sie stemmte dann die Arme in die Hüften und sagte: ‚Nä, ihr Buwe, das neimodisch amerikanische Zeisch hamm mir nitt und krien mir aach nit rinn!'"

Heute ist die Pferdemetzgerei Niebes ein hochmoderner Betrieb. "Wir haben eigene Schlachtung, eigene Produktion aller Fleisch- und Wurstsorten , die in Computer-gesteuerten Kühl- und Räucherkammern reifen und Feuchtigkeit abgeben, damit das Schnitzel nicht in der Pfanne vom Kunden zusammenschnurrt." Der Anteil vom Pferdefleisch beträgt 70 Prozent vom Angebot. Die Pferde stammen aus bekannten Reit- und Schulbetrieben, Fohlen werden nur geschlachtet, wenn sie nicht gedeihen und in der Natur von der Herde abgesondert werden würden.

"Pferdefleisch ist ein gesundes und ethisch vertretbares Lebensmittel", sagt Niebes, "denn da gibt es keine Massentierhaltung , nur natürliche Ernährung, keine Anabolika, keine Medikamente, die länger als zwei Wochen im Körper wirken. Diese Behandlung hat auch mit Respekt vor dem Lebewesen zu tun." Das Schweinefleisch des Schwäbisch-Hällischen Landschweins bezieht er von einem Hof in Saarbrücken, den der Völklinger Uwe Becker führt, "da laufen die Wutze einfach so rum und kriegen ihre gekochten Kartoffeln".

Zu den Kunden gehören nicht nur Franzosen und Italiener: "Es sind auch immer mehr junge Leute aus unserer Region dabei, die genug haben von den Skandalen der Massentierhaltung ", berichtet Niebes.

Ob seine Tochter die Familientradition fortsetzt, weiß er nicht. "Sie hat jetzt nach dem Abitur eine kaufmännische Lehre begonnen - wir warten mal ab." Aber immerhin ist sie eifriger Fan der Niebes-Mannschaft "Crazy Dragons", dem Firmen-eigenen Drachenboot, das auch mit Kunden besetzt ist. "Sie managt und feuert uns an, und das ist ja immerhin schon ein Anfang", sagt Roland Niebes.

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