Verstoß gegen „europäischen Geist“

Völklingen · Im französischen Genehmigungsverfahren für Neubau-Projekte auf der Chemieplattform Carling/ St. Avold hatten deutsche Anrainer um mehr Informationen und mehr Zeit gebeten. Das wurde abgelehnt. Was sagen Völklinger und Großrosseler Politker dazu?

 Schon jetzt beklagen Menschen im deutschen Warndt Umweltbelastungen durch die Chemie-Plattform im lothringischen Carling. Sie fürchten, dass die geplanten neuen Anlagen Luft und Wasser noch stärker beeinträchtigen. Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Schon jetzt beklagen Menschen im deutschen Warndt Umweltbelastungen durch die Chemie-Plattform im lothringischen Carling. Sie fürchten, dass die geplanten neuen Anlagen Luft und Wasser noch stärker beeinträchtigen. Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Unisono hatten das saarländische Umweltministerium, deutsche Grenz-Kommunen und Privatleute aus dem deutschen Teil des Warndts den gleichen Wunsch an Pascal Schuster in St. Avold geschickt: Der Mann, der die öffentliche Anhörung leitet im Genehmigungsverfahren für die geplanten neuen Anlagen der Firma Total auf der Chemieplattform Carling/ St. Avold, möge bitte die Anhörungsfrist verlängern. Und er möge dafür sorgen, dass weitere Verfahrens-Unterlagen ins Deutsche übersetzt werden.

Beides hat Schuster abgelehnt - das teilte der Verein "Saubere Luft für die Warndtgemeinden" am Donnerstag mit. Der Verein und auch Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) haben die Entscheidung scharf kritisiert (die SZ berichtete). Ebenso hart gehen Völklinger und Großrosseler Kommunalpolitiker mit dem französischen Vorgehen ins Gericht.

"Das entspricht nicht europäischem Geist", sagt Völklingens Bürgermeister Wolfgang Bintz (CDU ). Und es entspreche wohl auch nicht europäischem Recht. Nehme man beides ernst, dann "kann man nicht ein Verfahren auf Teufel komm raus durchziehen". Die Eile der französischen Seite störe ihn; er fürchte, dass Total bereits Fakten schaffe. "Die belasten mit dem, was sie jetzt machen, die ganze Zukunft des Projekts in der Region"; Mangel an Information stifte Misstrauen.

Besonders kritisch sieht Bintz den Total-Plan, lithiumhaltiges Abwasser in die Merle einzuleiten: "Das geht nicht." Angesichts der Wasserrahmenrichtlinie der EU, die Verschlechterungen der Gewässerqualität strikt verbietet, sei Lithium in der Merle - und so auch in Rossel und Saar - "Wunschdenken von Total".

"Mit dem, was Total da treibt, tut sich die Firma keinen Gefallen", sagt auch Großrosselns Bürgermeister Jörg Dreistadt (SPD ). Aufs Informieren der deutschen Öffentlichkeit zu verzichten, sei "eine verpasste Chance". Großrosseln war von den Franzosen nicht um eine offizielle Stellungnahme gebeten worden - das sehen Dreistadt und sein Gemeinderat anders: "Wir hätten gefragt werden müssen." Der Rat hat denn auch eine Resolution verabschiedet und nach Frankreich geschickt. Und Lithium-Abwasser "kann eigentlich nicht sein", sagt Dreistadt, "das gehört nicht in einen Bachlauf". Zumal man nicht wisse, wie der neue Stoff mit schon vorhandenen Gewässerbelastungen reagiere.

Stefan Rabel, CDU-Fraktionschef im Völklinger Stadtrat, hatte die Rats-Stellungnahme ergänzt um ein Fraktions-Papier, das auch europarechtliche Fragen ansprach. Nehme man die ernst, sagt er, "dann müsste man die Nachbarn genauso behandeln wie die eigene Bevölkerung". Dass das beim Carlinger Erweiterungsprojekt nun nicht geschehen soll, findet er "bedauerlich bis ärgerlich".

Rechtliche Schritte? Das lassen Bintz, Dreistadt und Rabel vorerst offen. Zunächst wollen sie abwarten, wie das französische Verfahren weitergeht. Für die Stadt Völklingen, fügt Bintz hinzu, ende die Einwendungsfrist ohnehin erst am 12. August.

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HintergrundDie Firma Total Petrochemicals France will ihre Produktionsanlagen auf der grenznahen lothringischen Chemieplattform Carling/ St. Avold umstrukturieren und erweitern. Sie möchte dort unter anderem in großem Stil C4-Harze herstellen, Produkte, die als Schmierstoffe eingesetzt werden oder als transparente Kleber für Smartphones und Tablet-PCs. Ältere, nicht mehr wirtschaftliche Anlagen sollen stillgelegt werden, etwa der Steamcracker, der langkettige Erdöl-Moleküle mit Hilfe von Dampf "knackt" und so Stoffe mit kleinerer Molekülstruktur entstehen lässt. Mehr als 160 Millionen Euro will Total für das Projekt "Ambition Carling 2016" investieren. Derzeit läuft in Frankreich das Genehmigungsverfahren für erste Teil-Vorhaben. Deutsche Anrainer, aber auch französische Nachbarn der Plattform fürchten Umweltbelastungen und haben Einwendungen erhoben oder bessere Informationen gefordert. dd

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