Freifunk an der Bushaltestelle

Völklingen · Rat und Verwaltung in Völklingen diskutieren derzeit über einen offenen Internetzugang in der Innenstadt. Derweil ist ein junger Völklinger bereits zur Tat geschritten: Per Freifunk teilt er seine Internetverbindung mit jedem, der will – umsonst.

"Es gibt einen neuen #Freifunk-Knoten in #Völklingen ": Diese Nachricht ist kürzlich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet worden. Was abstrakt klingt, ist ganz einfach: Seit Ende voriger Woche teilt in Völklingen der erste Bürger seine private Internetverbindung mit anderen in seiner Umgebung. Unter dem Namen "ffsaar-Tom" bietet der 28-jährige Thomas Berens unweit der beiden Völklinger Gemeinschaftsschulen sein Netzwerk an.

Beim Gespräch im Wohnzimmer seiner Eltern verrät der junge Mann im grauen Kapuzenpullover , wie das mit diesem Freifunk so funktioniert. Kurz zusammengefasst: Er teile die Internetbandbreite seines drahtlosen Internets (WLAN) mit Menschen seiner Umgebung. Die nötige Technik habe er gekauft, "für 20 Euro habe ich sogar einen etwas besseren Router bekommen". Dann habe er von der Webseite des Freifunks Saar eine spezielle Software heruntergeladen und installiert (siehe "Hintergrund"). Eine halbe Stunde später sei sein Freifunk am Netz gewesen, erklärt der Elektroniker für Betriebstechnik . Jeder, der sich in der Nähe befindet, könne seine Internetkapazität kostenlos mitnutzen - anonym und ohne Anmeldung. Er selber habe es an der nahen Bushaltestelle Auf Kleinscheid bereits erfolgreich getestet.

Einer jungen Mutter, die das Internet auf ihrem Smartphone für die SZ an derselben Stelle ausprobiert, gelingt das allerdings nicht. "Ich kann mich zwar verbinden, aber Webseiten aufrufen geht nicht", sagt die Frau, die gerade mit ihrer kleinen Tochter auf den Bus in die Stadt wartet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird das Netz schwächer, bis es sich auf dem Schulhof der Gemeinschaftsschulen ganz verliert.

Hier scheint man allerdings gar nicht erst an dem Gratis-Internet interessiert. "Wir wollen mit Freifunk nichts am Hut haben", erklärt zumindest Thomas Lothschütz, Leiter der Hermann-Neuberger-Schule, auf SZ-Anfrage. Für die Internetnutzung setze man auf ein eigenes, gesichertes Netz.

Ebenfalls kritisch geäußert hatte sich auch die Völklinger Stadtverwaltung (die SZ berichtete). Freifunk sei "juristisch heikel", sagt Martin Alt, EDV-Experte im Rathaus. Anders sieht das Andreas Augustin . Der Knackpunkt sei die Störerhaftung, sagt der Aktivist des Vereins Freifunk Saar, der für die Piraten-Partei dem saarländischen Landtag angehört. Heißt: Grundsätzlich muss jeder, egal ob kommerzieller Anbieter oder Privatperson, sein Drahtlos-Internet sichern gegen unbefugte Nutzung. Tut er das nicht, haftet er für mögliche Schäden mit. Beim Freifunk, sagt Augustin, nutze man zwar den Router einer Privatperson. Letztlich gehe man jedoch über einen Computer ins Netz, der beim Förderverein Freie Netzwerke in Berlin steht - und der könne als Provider nicht für die Aktivitäten seiner Nutzer haftbar gemacht werden

Auch die SPD-Fraktion im Völklinger Stadtrat befürwortet das System. Er kenne keinen Fall, in dem ein Saarländer mit in die Haftung genommen wurde, sagt Stadtratsmitglied Erik Roskothen. Er selbst hat in den Räumen seiner Fraktion im September einen Freifunkzugang eingerichtet, der aktuell von bis zu einem Dutzend Personen gleichzeitig genutzt wird. "Die SPD sieht Freifunk als einfache, billige Lösung", sagt Roskothen.

Nachdem im November neben der SPD auch Grüne und CDU im Rat ein offenes WLAN in der Stadt befürwortet hatten, ist die Stadtverwaltung nun in Kontakt mit einer Internet-Firma. Im kommenden Jahr soll im Völklinger Stadtrat das Konzept vorgestellt werden. Laut Roskothen werde es wohl eine "vierstellige Summe" kosten, ein offenes WLAN einzurichten, das sich aber nur auf die Innenstadt erstrecken soll. Er werde deshalb weiter für den Freifunk werben.

 Regendach, Sitzbank, Papierkorb – eine Völklinger Bushaltestelle wie jede andere. Mit einer Besonderheit: Auf Kleinscheid kann man beim Warten auf den Bus im Internet surfen. Foto: Robert Schmidt

Regendach, Sitzbank, Papierkorb – eine Völklinger Bushaltestelle wie jede andere. Mit einer Besonderheit: Auf Kleinscheid kann man beim Warten auf den Bus im Internet surfen. Foto: Robert Schmidt

Foto: Robert Schmidt

Zum Thema:

HintergrundFreifunk Saar ist ein "öffentliches, überparteiliches, von Bürgern organisiertes, freies WLAN, das sowohl Internet, als auch eigene Dienste anbietet", schreibt der verantwortliche Saarbrücker Verein Technik Kultur Saar, ein Zusammenschluss von Computerexperten . Der Verein stellt Software sowie für den Freifunk voreingestellte Technik zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Mehr als 200 Saarländer teilen über diesen Weg bereits ihren Internetzugang mit anderen. WLAN ist die Abkürzung für "Wireless Local Area Network" (drahtloses lokales Netzwerk) - damit kann man Daten intern oder mit dem Internet austauschen. Ein Hotspot ist ein öffentlicher Zugangspunkt, über den jeder problemlos auf das Internet zugreifen kann. red red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort