Thomas Müller grillt, und ein Vulkan bricht aus

SZ-Redakteurin Angelika Fertsch nervt als Mutter und Hausfrau die EM-Werbung.

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Foto: Robby Lorenz

Habe ich mich im Supermarkt erschreckt. Noch leicht tranfuselig schiebe ich früh am Morgen den Einkaufswagen durch die Gänge. Da strahlt mich plötzlich von der Seite Thomas Müller an. Mit diesem unverwechselbaren schiefen Lausbuben-Lächeln. Fast lebensgroß grüßt der FC-Bayern-Kicker von einer Papptafel, unter dem Arm einen Sack mit Grillkohle.

Was der Multimillionär dafür wohl kassiert, arme Hausfrauen zu erschrecken, überlege ich mir. Wahrscheinlich lohnt sich die zusätzliche Werbeeinnahme, sonst würde sich der Star der Bayernelf doch nicht so blöd hinstellen. Wenn er ein guter Mensch ist, spendiert er von der Kohle allen Kindertagesstätten in Bayern eine Grillparty. Das wäre das Mindeste und auch seinem Image als Good-Boy geschuldet. Sein Kollege Boateng, darüber informiert mich mein Sohnemann, spende Millionen für gute Zwecke. Das hätte man bei so einem Finsterling ohne Glamour-Faktor nun wirklich nicht erwartet. Drum hüte sich jeder vor Vorurteilen.

Den guten Vorsatz lasse ich aber wenige Meter weiter wieder fahren: Die bekannte französische Mineralwassermarke mit V am Anfang hat zur Europameisterschaft eine neue Kampagne angeschoben: "Unstoppable" (also unstoppbar) sollen Wassertrinker werden und den Vulkan in sich entdecken. Hihi. Schon für das Wort benötigt man einen Waffenschein.

Dann werde ich als Konsument wahlweise mit "Rasenbezwinger", "Siegerbesieger", "Lösungsentdecker", "Alltagsbesieger" angesprochen. Die Werbebotschaft ist mir klar. Aber ein inneres Gelächter kann ich mir nicht verkneifen. Liebe Leute aus den schicken Büros der Werbeagenturen. Ich kann's ja gerne mal versuchen, meinen ganz normalen Alltagswahnsinn zu besiegen. Kochen, putzen, arbeiten gehen, Vokabeln abhören, Chauffeur zum Sport geben. Am Abend mache ich ein Selfie und das fließt dann in die nächste Kampagne für abgearbeitete Mütter ein. Dazu das Foto unseres Rasenbezwingers, der sich abmüht, mit seinem ollen Mähgerät die Kurve im Garten zu kriegen. Das wahre Leben sieht halt doch anders aus als die Grillkohle eines Millionärs und die abgehobenen Visionen eines Vulkan-Wasseranbieters.

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