Französische Kunden beleben das Geschäft

Großrosseln · Die Politik trägt zum Wandel im Handel bei – zum Beispiel mit offenen Grenzen: Leere Ladenlokale gibt es in Großrosseln so gut wie keine. Die Grenzgemeinde im Warndt profitiert von den Kunden aus Frankreich. Die kommen und bleiben aber auch nicht von selbst, sondern wollen umgarnt und in der Landessprache bedient werden.

 Voilà, darf der Stoff ein bisschen glänzen? – Im Großrosseler Modehaus Hammerschmitt präsentieren Ursula Geidt (links), Inhaber Bernhard Alberding und Sabine Meyef eine Jacke, die Französinnen gefallen könnte. Foto: Jenal

Voilà, darf der Stoff ein bisschen glänzen? – Im Großrosseler Modehaus Hammerschmitt präsentieren Ursula Geidt (links), Inhaber Bernhard Alberding und Sabine Meyef eine Jacke, die Französinnen gefallen könnte. Foto: Jenal

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Wer im lothringischen Petite Rosselle wohnt und sich neue Gardinen nach Maß fürs Haus leistet, der fährt nach Metz - oder gleich über die Grenze nach Großrosseln zu Elisabeth Nikaes, die in vierter Generation das Textilhaus Neumann führt. "So wie ich heute in der Mittagspause mit dem Auto zum Ausmessen nach Frankreich war, hat es mein Opa Baptist Schuler schon gemacht, der aber mit dem Rad", freut sich die Geschäftsfrau über stabile Kundenbeziehungen nach drüben. Die sind übrigens nicht nur Zubrot für das 1919 gegründete Familienunternehmen, sondern existentiell: Sie machen sage und schreibe drei Viertel des Gesamtumsatzes aus.

Nebenan, im 1957 gegründeten Modehaus Hammerschmitt, das mit seinem Sortiment und seinem Ambiente auch in Städten gut bestehen könnte, ist der Anteil der Besucher aus Lothringen sogar noch höher: 80 Prozent! Es kann zu mancher Stunde vorkommen, dass an allen Ecken des 1500 Quadratmeter großen Fachgeschäftes Französisch geredet wird. Inhaber und Geschäftsführer Bernhard Alberding und seine 20 Mitarbeiterinnen beherrschen nicht nur den Grundwortschatz der Nachbarn, sondern können auch über modische Details fließend parlieren; etliche Angestellte sind sogar Französinnen und damit auch besonders nah am Geschmack der Kunden und Kundinnen.

Und dieser Geschmack sei etwas anders als der der deutschen Verbraucher, versichern die Mitarbeiter. Man orientiere sich beim Sortiment und der Warenpräsentation strikt an den Vorlieben der Kundschaft. Und das Personal sei gehalten, ehrlich zu beraten, das heißt: auch einmal von einem Kleidungsstück abzuraten - dies habe sich herumgesprochen und werde von den Verbrauchern geschätzt, freut sich der Kaufmann.

Viele Moselle-Autokennzeichen



Im Grenzort Großrosseln ist es zu den Hauptverkehrszeiten bisweilen schwierig, über die Straße zu kommen, denn der Verkehr zu den Geschäften ist stark und kommt von allen Seiten. Jedes zweite bis dritte Auto hat eine Moselle-57er-Nummer, viele Wagen sind mit mehreren Personen aus zwei, drei Generationen besetzt. Die mittlere geht zu Rewe, zu Lidl oder Aldi, um Fleisch, Drogerieartikel oder Babywindeln zu kaufen. All dies ist daheim 30 bis 50 Prozent teurer. Die jungen Leute spielen am Geldautomaten (den es daheim auch nicht gibt). Die Großmutter kauft sich und dem Ehemann "was Schönes" - eben weil die Geschäftsleute in Großrosseln ihren bevorzugten Stil kennen und bedienen: etwas verspielter, konservativer und höherwertiger, berichten Einzelhändler unisono.

Das Geschäft mit den Nachbarn fällt den Rosseler Einzelhändlern allerdings nicht in den Schoß, sie müssen sich anstrengen, um sie bei der Stange zu halten. Detlef Wörle, der seit fast 25 Jahren Autoteile verkauft, kann zum Beispiel mit Preisen aus dem Internet schwer konkurrieren. Er weiß aber genau, welches Teil wo passt, er kann den Einbau auf Französisch erklären, und er kann das Ersatzteil innerhalb von Stunden beschaffen. Außerdem macht er Werbung in Frankreich, damit ihn noch mehr Kunden entdecken.

Auch Arznei, die es daheim nicht gibt, kaufen die Franzosen in Großrosseln . Ein spezieller Abführtee, Naturheilmittel und homöopathische Präparate würden besonders viel verlangt, wird in der Rossel-Apotheke berichtet. Die Franzosen seien auch besonders empfänglich für die Produkte, die im deutschen Fernsehen beworben würden.

Sorge über Straßenmaut-Pläne

 Elisabeth Nikaes vom Textilkaufhaus Neumann macht drei Viertel ihres Umsatzes mit französischen Kunden. Foto: Jenal

Elisabeth Nikaes vom Textilkaufhaus Neumann macht drei Viertel ihres Umsatzes mit französischen Kunden. Foto: Jenal

Foto: Jenal
 Detlef Wörle, Autozubehör-Händler, gibt seinen Kunden auch auf Französisch Tipps für den Teile-Einbau. Foto: Jenal

Detlef Wörle, Autozubehör-Händler, gibt seinen Kunden auch auf Französisch Tipps für den Teile-Einbau. Foto: Jenal

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Was die Großrosseler Einzelhändler wie ein Damoklesschwert über sich kreisen und als Bedrohung sehen, ist die geplante deutsche Straßenmaut. Würde sie als "Eintrittsgeld" für alle Straßen eingeführt (und nicht nur für Autobahnen), würde das von den Franzosen wie ein unfreundlicher Akt, "als Affront empfunden" und auf beiden Seiten der Grenze Unverständnis und großen Ärger hervorrufen, ist Modehändler Bernhard Alberding sicher. Handel, Arbeitsmarkt und das gesamte gesellschaftliche und kulturelle Leben in den Grenzregionen würden gehemmt und unverhältnismäßig stark belastet. "Wie blind und unklug sind unsere Politiker, dass sie ein solches Unterfangen überhaupt in Erwägung ziehen?", ärgert sich Alberding.

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