Gras kann zu Fransen inspirieren

Wehrden · Die Kunstschule Kassiopeia in Wehrden hat ein neues Nähcafé eingerichtet, in dem Interessierte frei ihrer Fantasie sich an Stoffen austoben können. Bea Biermann leitet das „Stoffwerk“, so der Name des Cafés, das keineswegs als strenger Kurs verstanden werden sollte.

 Bea Biermann (im Oberteil mit rotem Zackenmuster) will den Näherinnen nicht reinreden. Für praktische Tipps ist sie aber immer zu haben. Foto: Beatrix Hoffmann

Bea Biermann (im Oberteil mit rotem Zackenmuster) will den Näherinnen nicht reinreden. Für praktische Tipps ist sie aber immer zu haben. Foto: Beatrix Hoffmann

Foto: Beatrix Hoffmann

Wenn Bea Biermann bei Kassiopeia in Wehrden über Mode plaudert, wird die Saar zur Seine. Die Modedesignerin und Malerin aus Merzig leitet das neue Projekt "Stoffwerk" und sie macht das so beschwingt, dass man Lust zum Mitmachen bekommt.

Man könne auch richtig designen, also Themen nehmen, erläutert sie beim Einstand. Beispielsweise in die Natur hinausgehen, sich von Gräsern zu Fransen inspirieren lassen. Landschaften und Architektur könnten Anregungen geben. Man nehme nur das Beispiel "Burg". In Windeseile assoziiert die Modekünstlerin: Trutzige Form als Schnitt, verwitterte Farbe, vielleicht eine Kordel und etwas Netz in Anlehnung an die Hängebrücke und ein bisschen Türkis wie das Wasser im Burggraben.

Von Kleidung zur Kunst ist in dem neuen Nähcafé bei Kassiopeia nur ein kleiner Schritt. Bestes Beispiel ist die Dozentin, die in Trier studiert hat, selbst. Fertig Gekauftes, lang gehütete Lieblingsteile, Schnäppchen vom Krabbeltisch, Bordüren aus dem Orient und der Griff in den Männerschrank liefern den Grundstock zum Mustermix. Das Oberteil im Missonizickzack hat sie eigenhändig aufgebauscht. Das Kleid, das sie der Schneiderpuppe überstreift, ist wie eine Palette mit Acrylfarbe betupft. Dann ein Griff zur Spraydose und fix mit schwarzem Lack zwei schwungvolle Taillenlinien dazu gesetzt.

Wem das noch zu langweilig sein sollte, der kann ein hauchdünnes durchsichtiges Etwas drüber ziehen. Die Designerin führt vor, wie geheimnisvoll das wirkt. Dann hält sie ein Sommerkleid in die Höhe, zeigt auf den Rock und sagt: "Das war mal das Oberteil." Bea Biermann regt zu Ideenfindung an. Praktische Tipps gibt sie auch. Man erfährt, wie man Jeansnähte mit dem Hammer weich klopft, damit die Nadel wie durch Butter flutscht, oder lernt, dass man Stoff durch Schräglegen elastisch kriegt.

Die Nähcafé-Besucherinnen der ersten Stunde wühlen mit Wonne in Kisten voller Stoff. Dass Kassiopeia jetzt auch was für Erwachsene anbietet, finden alle klasse.

"Bis jetzt habe ich immer meine Kinder zu Näh-Workshops gebracht und jedesmal gedacht, schade dass es nichts für mich gibt", meint Andrea Gammel. "Ich freue mich. Ich habe schon Stoff gesammelt, mir Kombis überlegt, aber der letzte Kick hat mir noch gefehlt", sagt Birgit Körner.

Genevieve Nermandois steht auf 50er-Jahre-Stil und plant Geschichten mit Petticoat und Haarband. Corsina Ueberscher möchte ein Paradekissen zur Patchworktasche umbauen. Flugs greift Bea Biermann zu Bleistift und Papier und fabriziert Vorschläge.

"Modezeichnen können wir auch mal, das macht einen Riesenspaß", meint sie, und erzählt, wie Designer Entwürfe angehen: "Spielen, variieren, probieren."

Eine Hausaufgabe gibt es auch. "Rennt jetzt mal durch die Stadt. Mit offenen Augen, mit Sinn für Farbe, Struktur und Proportion", sagt Bea Biermann und weiter: "Wer Kunst macht, hat mehr vom Leben. Er sieht mehr."

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Auf einen BlickStoffwerk ist nicht als Kurs konzipiert, sondern eher als Club gedacht, der allen offen steht. Jeder kann kommen, so oft er Zeit und Lust hat. Der Einstieg ist jederzeit möglich. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Leitung liegt bei Bea Biermann, Künstlerin und Modedesignerin aus Merzig. Jour fix ist Freitag, zehn bis 12 Uhr. Das Projekt läuft rund ums Jahr (nicht in den Schulferien und an schulfreien Freitagen). Nächster Termin: Freitag, 6. Juni. Kassiopeia, Schule der Fantasie, ist in der Pfarrwiesstraße 1 in Wehrden. Eingang auf der Rückseite. Infos unter Tel. (0 68 98) 2 62 06. hof

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