Gedenkstein erinnert an ein Massengrab

Völklingen · Über 200 Menschen starben in der Zeit des Zweiten Weltkriegs während ihrer Zwangsarbeit bei Röchling. An sie erinnert die Ausländergedenkstätte auf dem Völklinger Waldfriedhof. Bereits im Ersten Weltkrieg kamen Zwangsarbeiter bei den Röchling'schen Eisen- und Stahlwerken ums Leben. Stadtarchivar Christian Reuther kann nun zumindest einige Fragen zum so genannten Russendenkmal im Bürgerpark beantworten.

 Namenlose Tote: Das Denkmal im Völklinger Bürgerpark nach der Renovierung. Foto: Stadt Völklingen

Namenlose Tote: Das Denkmal im Völklinger Bürgerpark nach der Renovierung. Foto: Stadt Völklingen

Foto: Stadt Völklingen
 Eine private Aufnahme aus dem Sommer 1943 vom Lager im Völklinger Schulzenfeld: Russische Zwangsarbeiter der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke füllen vor dem Lagertor ihre Strohsäcke mit frischem Stroh. Foto: Sammlung Hubert Kesternich

Eine private Aufnahme aus dem Sommer 1943 vom Lager im Völklinger Schulzenfeld: Russische Zwangsarbeiter der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke füllen vor dem Lagertor ihre Strohsäcke mit frischem Stroh. Foto: Sammlung Hubert Kesternich

Foto: Sammlung Hubert Kesternich
 Der Gedenkstein für Zwangsarbeiter aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges auf dem Waldfriedhof trägt viele Namen der Opfer einer unmenschlichen Behandlung. Foto: Aktionsbündnis Stolpersteine

Der Gedenkstein für Zwangsarbeiter aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges auf dem Waldfriedhof trägt viele Namen der Opfer einer unmenschlichen Behandlung. Foto: Aktionsbündnis Stolpersteine

Foto: Aktionsbündnis Stolpersteine

Das Aktionsbündnis Stolpersteine hat inzwischen 17 Gedenktafeln für Nazi-Opfer in die Gehsteige vor deren früheren Wohnhäusern in Völklingen gesetzt. Doch die Mitstreiter wollen auch einen früheren dunklen Teil der Stadtgeschichte aufrollen. Im August baten sie die Bevölkerung um Hinweise zu einem Denkmal in einer Ecke im Völklinger Bürgerpark. Dessen Inschrift verkündet: "Hier ruhen 150 russische Kriegsgefangene 1914 - 1918". Das Wissen darüber sei in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Die Fragen des Aktionsbündnisses lauteten: In welchem Jahr wurde das Denkmal errichtet? Wer hat es in Auftrag gegeben? Wer hat es gestaltet? Wer weiß, wodurch die Gefangenen zu Tode kamen? Wo befand sich das Lager, in dem bis zu 1000 Russen gefangen gehalten wurden?

Stadtarchivar Christian Reuther hat nun im Archiv Dokumente gefunden, aus denen hervorgeht, wie, wann und warum dieses Ehrenmal für 150 tote russische Kriegsgefangene entstand. Zunächst erläutert Reuther den Hintergrund: Bereits während des Ersten Weltkriegs mussten viele Menschen in Völklingen Zwangsarbeit verrichten. Die meisten der ausländischen Arbeitskräfte waren bei den Röchling'schen Eisen- und Stahlwerken (RESW) eingesetzt. Neben russischen Kriegs gefangenen waren vor allem belgische Zivilarbeiter in den Betrieben des Hüttenwerks tätig.

Die Zahl der russischen Kriegsgefangenen stieg mit Fortschreiten der Kampfhandlungen immer weiter an. Zu Beginn des Jahres 1915 waren etwa 200 russische Gefangene bei den RESW beschäftigt. 1916 waren es bereits über 600 kriegsgefangene Russen. Die Anzahl in Völklingen gemeldeter belgischer Staatsbürger betrug Ende Dezember 1916 301. Darunter befanden sich "284 belgische Civilarbeiter, welche bei der Firma Röchling beschäftigt waren". Die ausländischen Arbeitskräfte, so Reuther, wurden eingesetzt, um die Produktion aufrecht zu erhalten.

Und nun die Erkenntnisse des Stadtarchivars zum Denkmal im heutigen Bürgerpark: Ursprünglich auf dem Bürgerfriedhof aufgestellt, erinnert es an 150 namenlose russische Kriegsgefangene, die im Ersten Weltkrieg offenbar in einem Massengrab beigesetzt wurden. Neben dem Massengrab gab es weitere Gräber für russische Soldaten auf dem Ehren- sowie dem Gemeindefriedhof. Daneben lassen sich in dieser Zeit 45 "Belgiergräber" nachweisen.

Erste Hinweise auf die Errichtung "eines Steines für das Massengrab auf dem Civilfriedhof" hat Reuther für den Mai 1928 gefunden. Im Februar 1929 waren dann die Entwurfsskizzen für den "Russenstein" fertig gestellt. Die Ausschreibung der Bauarbeiten erfolgte am 17. April 1929. In ihrer Sitzung vom 8. Mai 1929 beschloss die Baukommission der Stadt, die Ausführung der Völklinger Firma Johann Schmitt zu übertragen. Gleichzeitig legte sie fest, dass der Stein mit der Inschrift "Hier ruhen 150 russische Kriegsgefangene" versehen werden sollte. Die bronzenen Buchstaben wurden bei der Firma Hornung bestellt. Anfang Juni begann das Bauunternehmen Schmitt mit der Erledigung seines Auftrages, der einen Monat später fast beendet war. Kurz darauf wurden die Buchstaben montiert, sagen die Unterlagen, die Reuther aufgearbeitet hat.

Die Stadt Völklingen hatte das so genannte Russendenkmal Ende 2010 sanieren lassen. Der mit Klinkersteinen verkleidete Quader hatte im Laufe der Zeit stark gelitten. Es werde auch in Zukunft "fester Bestandteil der historischen Grab- und Denkmale in der Parkanlage bleiben", versicherte damals die Stadtverwaltung.

Am Donnerstag, 7. November, 18.30 Uhr, hält Christian Reuther im Festsaal des Alten Rathauses einen Vortrag über Zwangsarbeit in Völklingen. Er will anhand des Quellenmaterials die Situation während des Zweiten Weltkrieges nachzeichnen. Der Eintritt ist frei.

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