„Sozialtourismus – so etwas gibt es gar nicht“

Deutschland muss Migranten nach Ansicht des EU-Generalanwalts Wathelet nicht unbedingt Hartz IV zahlen. „In Ordnung“ findet das Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Warum? Das erklärt er SZ-Redakteur Pascal Becher.

Herr Schneider, was ändert die Empfehlung des EU-Generalanwalts an der aktuellen Hartz-IV-Praxis bei EU-Ausländern?

Schneider: Überhaupt nichts. Der Generalanwalt hat ja nur bestätigt: Wenn sich jemand tatsächlich der Integration in die Arbeitswelt entzieht und einfach nicht für seinen Lebensunterhalt selber aufkommen will, dann können ihm Sozialleistungen verweigert werden. Das gilt übrigens auch für Deutsche. Und das finden wir im Grundsatz auch so in Ordnung.

Trotzdem wird jetzt wieder über Sozialtourismus geredet.

Schneider: Leider ja. Dabei gibt es so etwas gar nicht. Der Begriff "Sozialtourismus" suggeriert ja, dass Leute fröhlich und nett durch Europa reisen - und zwar in touristisch-entspanntem Gemüt -, nur um Sozialleistungen in Deutschland oder sonstwo abzukassieren.

Es gibt aber auch Armutsflüchtlinge in der Bundesrepublik.

Schneider: Ja, und sie hoffen in unserem Land, ihr Glück machen zu können - in der Regel durch Arbeit. Das ist Ok. Nur eine außerordentlich kleine Minderheit kommt hierher und taucht in einer Parallelgesellschaft ab. Dadurch entstehen dann Sozialkosten. Damit haben aber nur zehn bis zwölf Kommunen in Deutschland ein Problem - beispielsweise das Ruhrgebiet oder Nürnberg. Das Saarland ist mir da nicht bekannt. Die Politik hat aber schon längst reagiert und den Städten mehr Geld zur Verfügung gestellt.

Die Sache ist also aufgebauscht?

Schneider: Insbesondere von der CSU. Die Partei hat im EU-Wahlkampf mit "Sozialtourismus" massiv Stimmung gerade gegen Rumänen und Bulgaren geschürt. Aber auch die CSU ist inzwischen zurückgerudert. Die Realität hat sie eingeholt. Und ich hoffe, dass das auch trotz des nahenden Wahltages so bleiben wird. Es ist doch völlig klar, dass Deutschland als große Industrienation nicht von wenigen Armutsflüchtlingen aus den Angeln gehoben wird.

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