Götterdämmerung an der Spree

Berlin · In der Berliner SPD rumort es gewaltig. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gilt schon lange als amtsmüde, nun bringen sich mögliche Nachfolger in Stellung. Wer das Rennen machen wird, ist aber völlig offen.

Ununterbrochen seit 25 Jahren regiert die Berliner SPD an der Spree. Entweder als Juniorpartner oder aber als führende Kraft. Das wurde Anfang des Jahres gebührend gefeiert. Doch seitdem zerlegt sich die Partei in rasantem Tempo selbst. Die Mischung: Ein amtsmüder Regierungschefs, Intrigen der Nachfolgekandidaten und eine Stadt, die sich längst abgewandt hat.

Schon Ende 2010 hatte Klaus Wowereit eigentlich nicht mehr so richtig Lust, Regierender Bürgermeister von Berlin zu sein. Im Südafrika-Urlaub sprach er damals über ein Leben jenseits der Politik. Es gab aber kein Jobangebot aus der Wirtschaft. Inzwischen amtiert er fast 13 Jahre, und jetzt hat die eigene Partei genug. Denn seit der letzten Wahl 2011 ist viel passiert. Wowereit wählte die CDU und nicht die Grünen als Koalitionspartner, was den linken Flügel der SPD gegen ihn aufbrachte. Mit Raed Saleh als Fraktionschef und Jan Stöß als Landesvorsitzender eroberten zwei Vertreter dieses Lagers die Führungspositionen der Partei. Dann kam das Desaster um den Großflughafen Berlin-Brandenburg, für den ein Eröffnungstermin noch immer nicht feststeht. In Berlin, das wirtschaftlich gerade sehr prosperiert, aber weiter große soziale Probleme hat, wird darüber inzwischen nur noch in Form von fatalistischen Witzen geredet. Und drittens kehrte Wowereits Lustlosigkeit zurück, was Stöß und Saleh sogleich um seine Nachfolge rangeln ließt. Um Ostern herum erklärte Saleh, er werde gegen Stöß bei der Wiederwahl als Landesvorsitzender antreten. Doch bald darauf zog er seine Kandidatur zurück; Stöß, ein erfahrener Strippenzieher, hatte sich intern eine Mehrheit organisiert. Am Sonnabend zeigte sie sich: 69 Prozent bekam der 40-Jährige beim Landesparteitag. Für einen Alleinkandidaten durchaus ein blamables Ergebnis, aber Stöß will es dennoch nutzen. Er werde umgehend mit den Vorarbeiten für das Wahlprogramm 2016 beginnen, kündigte er an, als sei er schon der Spitzenkandidat.

Die Berliner SPD lebt derzeit in einer ziemlich geschlossenen Binnenwelt, in der Hauen und Stechen herrschen. In Wowereits Umfeld etwa heißt es genüsslich über Stöß und Saleh: "Von den beiden wird keiner je Regierender. Die kennt keiner und will keiner." Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Stöß kann gerade mal ein Jahr Amtszeit als Finanzstadtrat in der Kommunalvertretung von Berlin-Kreuzberg verzeichnen, nur 36 Prozent der Berliner finden, dass er ein geeigneter Nachfolger Wowereits wäre. Saleh kommt sogar nur auf 27 Prozent. Umgekehrt heißt es im Lager der selbst ernannten Kronprinzen, dass Wowereit wohl kaum seine Absicht durchhalten könne, erst Ende 2015 kundzutun, ob er noch mal antreten will. "Gucken Sie sich doch mal seine Werte an." Auch das stimmt, nach einer Umfrage für die "Berliner Morgenpost" wurden derzeit nur 24 Prozent noch SPD wählen, 28 Prozent die CDU. Dass solche Zahlen aber so genüsslich zitiert werden, zeigt, wie marode die Partei ist.

Am kommenden Sonntag droht alle Akteuren ein Nackenschlag von außen. Einstimmig haben sich die Berliner Sozialdemokraten bei ihrem Parteitag hinter die Senatspläne gestellt, den jetzt als Park genutzten ehemaligen Flughafen Tempelhof an den Rändern zu bebauen. Gegen die Pläne läuft eine Bürgerinitiative Sturm, die einen Volksentscheid durchgesetzt hat. Er findet parallel zur Europawahl statt und hat Aussicht auf Erfolg, denn längst ist er auch eine Abstimmung über Wowereit geworden. "Würden Sie diesem Mann noch einen Flughafen anvertrauen", fragen die Grünen auf ihren Plakaten.

Sollte das nicht reichen, lauert im Hintergrund noch eine zweite Initiative, die per Volksentscheid vorgezogene Neuwahlen durchsetzen will. Die Losung: "Berlin hat Besseres verdient - weg mit Wowereit."

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