„Freie Religionsausübung hat Grenzen“

Theis: · Der Generalsekretär der CDU Saar, Roland Theis, ist Jurist und hat sowohl einen deutschen als auch einen französischen Pass. SZ-Redakteurin Stefanie Marsch sprach mit ihm über das Straßburger Urteil zum Burka-Verbot.

Herr Theis, die Straßburger Richter haben das Verbot des Ganzkörperschleiers in Frankreich gebilligt. Wie bewerten Sie das?

Theis: Die Entscheidung des Gerichtshofs für Menschenrechte ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es verfassungsrechtlich und gesellschaftspolitisch zwei entscheidende Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland gibt. Zum einen besteht in Frankreich seit dem Gesetz über den Laizismus von 1905 eine sehr strikte Trennung von Religiosität und öffentlichem Leben. Religion ist eine Privatsache jedes Einzelnen. Dagegen geht die deutsche Auffassung von Glaubensfreiheit, wie sie auch im Grundgesetz verankert ist, davon aus, dass Religionen eine positive Rolle für unser Zusammenleben spielen. Zum anderen gibt es in Frankreich eine größere Problematik mit Parallelgesellschaften, die sich auch mittels Symbolen wie der Burka bewusst abgrenzen vom Rest der Gesellschaft. In Deutschland dagegen sieht man kaum Burka-Trägerinnen.

Die Burka ist Ihrer Ansicht nach also mehr als ein Glaubenssymbol?

Theis: Als Christdemokrat bin ich grundsätzlich der Auffassung, dass die Ausübung von Religion auch im öffentlichen Raum geschützt sein muss. Aber es gibt Grenzen dafür. Wenn religiöse Symbole dazu benutzt werden, Frauen ganz bewusst die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu versagen und sie buchstäblich daran gehindert werden, in den Dialog mit Menschen zu treten, dann ist das ein Signal, das unserem Werteverständnis in Deutschland widerspricht.

Sollte es in Deutschland auch ein Burka-Verbot geben?

Ein Verbot muss nicht nur verhältnismäßig sein, sondern auch die gesellschaftlichen Konsequenzen berücksichtigen. Angesichts der Tatsache, dass das Tragen einer Burka in Deutschland kein Massenphänomen ist, wäre das strikte Instrument des Verbots kein positiver Beitrag zum guten Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen. Wir wollen ja den Dialog stärken. Außerdem kann man einen aufgeklärten Umgang mit Religionen nicht per Gesetz erzwingen. Eine Übertragung der französischen Gesetzgebung auf Deutschland, auch wenn sie nach der Straßburger Rechtsprechung möglich wäre, halte ich politisch nicht für sinnvoll.

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