Berlin darf Ausländern Hartz IV verweigern

Brüssel/Luxemburg · Deutschland hat nach Ansicht des EU-Generalanwalts Melchior Wathelet in bestimmten Fällen das Recht, arbeitslosen EU-Ausländern Hartz-IV-Leistungen zu verweigern. Vor allem die CSU reagierte erleichtert.

Deutschland darf einreisenden EU-Bürgern durchaus die Zahlung von Sozialleistungen verweigern. Mit dieser Empfehlung des Generalanwaltes deutet sich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein Urteil an, auf das die Bundesrepublik im Fall einer 24-jährigen Rumänin aus Leipzig gehofft hatte. Die Frau war vor einigen Monaten eingereist und hatte sich weder um eine Arbeit bemüht noch einen Job aufgenommen, um ihren Sohn betreuen zu können. Als das zuständige Jobcenter ihr die Zahlung von Hartz IV verweigerte, reichte sie Klage ein.

Doch ihre Chancen auf Unterstützung durch den EuGH sind gestern deutlich gesunken. Denn in der Mehrzahl der Fälle folgt das Gericht den Empfehlungen des Generalanwaltes. Die Position von Melchior Wathelet, der für dieses Verfahren zuständig ist, fällt deutlich aus: Wenn EU-Bürger ausschließlich deshalb nach Deutschland kämen, um Sozialhilfe zu beziehen, entspreche es europäischem Recht, ihnen solche Leistungen zu verweigern. Dies gelte insbesondere dann, wenn "das Fehlen einer tatsächlichen Verbindung mit diesem Staat nachgewiesen werden kann".

Wer also von einem EU-Land in ein anderes reise, sich dort aber nicht um Arbeit bemühe, müsse damit rechnen, dass ihm die Grundleistungen für hilfsbedürftige Arbeitsuchende gestrichen würden. Der Staat habe sehr wohl das Recht, "eine übermäßige Belastung für das Sozialhilfesystem zu verhindern".

Das Gutachten des EU-Anwaltes betont ausdrücklich die geltenden Bestimmungen der Richtlinie zur Freizügigkeit. "Es ist EU-Bürgern und ihren Familienangehörigen gestattet, für drei Monate in einen Mitgliedstaat umzusiedeln - "solange sie dort die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmestaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen". Wer länger bleiben wolle, müsse über ausreichende Existenzmittel verfügen, um auf eigenen Füßen stehen zu können und ohne staatliche Leistungen klarzukommen. Das Fazit des Generalanwaltes: "Die deutschen Rechtsvorschriften verfolgen ein legitimes Ziel."

Wenige Tage vor der Europawahl fühlt man sich vor allem in den Reihen der CSU erleichtert, die mit Bezug auf diesen Fall scharfe Maßnahmen ("Wer betrügt, fliegt") gefordert hatte. "Das ist ein wichtiges Signal, um Missbrauch und Sozialtourismus langfristig einzuschränken", hieß es aus den Reihen der CDU-Schwesterpartei. Doch noch ist Deutschland nicht wirklich aus dem Schneider. Denn auch wenn der EuGH seinem Generalanwalt Wathelet am Ende folgen sollte, müsste die Bundesrepublik ihre bisherige Praxis weitgehend umstellen. Derzeit erhalten einreisende EU-Bürger nämlich grundsätzlich und ausnahmslos keine Sozialleistungen. Diese Regelung wäre nicht länger haltbar, weil der EuGH sich für Einzelfallentscheidungen aussprechen dürfte, wie sie sich aus dem Gutachten Wathelets ergeben. Schließlich kann nur nach der Prüfung jedes Falles herausgefunden werden, ob die Kriterien für eine Verweigerung der Zahlungen vorliegen oder nicht.

Beobachter gingen davon aus, dass künftig schon die Meldung bei einem Jobcenter ausreichen könnte, um einen Anspruch auf Hartz IV zu begründen. Sollten die EuGH-Richter ihr Urteil in diesem Sinne fällen, wäre Deutschland gezwungen, das generelle Verbot, solchen Einwanderern unter die Arme zu greifen, zurückzunehmen (Rechtssache C-333/13).

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Hintergrund Die Zahl der EU-Ausländer, die im Saarland Hartz IV bekommen, ist binnen eines Jahres um 7,8 Prozent gestiegen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren es im Vorjahr 10 432 und 2014 dann 11 248. Die größte Gruppe stellen aktuell die Italiener (1798). Dann folgen Migranten aus Polen (504), Frankreich (342), Bulgarien (301) und Rumänien (289). Die Zahl der Saarländer, die Hartz IV beziehen, stieg im Zeitraum ebenfalls - um 0,9 Prozent auf 44 404. pbe

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