Ende einer legendären Geheimbehörde

Berlin · Viele Jahre lang wollte die Regierung nicht einmal zugeben, dass die „Hauptstelle für Befragungswesen“ für den Bundesnachrichtendienst arbeitete. Jetzt schloss der BND dieses geheimnisvolle Kapitel seiner Geschichte.

Sie war eine Nachkriegslegende und lange ein Geheimnis: Die sogenannte "Hauptstelle für Befragungswesen" (HBW) mit Sitz in Berlin-Wilmersdorf. Ihre tatsächliche Aufgabe: Die Ausforschung von Asylbewerbern und Übersiedlern im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes. Gestern teilte der BND in einer Sechs-Zeilen-Mail lapidar mit, dass er die Dienststelle aufgelöst habe. Zur Begründung hieß es knapp: "Die Maßnahme ist Teil der Transparenzoffensive."

Rund 40 Beamte waren der Einheit zuletzt zugeordnet. Sie befragten in den Aufnahmelagern Flüchtlinge nach Informationen über Terroristen und radikale Gruppen in ihren Heimatländern. Rund 1000 Vorgespräche wurden im Jahr geführt, rund 100 Personen dann intensiver vernommen. Am bekanntesten ist der Fall eines irakischen Ingenieurs, der 1999 im Aufnahmelager Zirndorf in Franken im Zuge einer solchen Befragung sagte, dass Diktator Saddam Hussein über mobile Anlagen zur Herstellung chemischer Waffen verfüge. Die Information, die sich später als falsch entpuppte, gelangte auch an die US-Geheimdienste und war eine zentrale Begründung für den Kriegsgang von US-Präsident George W. Bush gegen den Irak. Im Kalten Krieg schöpften die BND-Mitarbeiter DDR-Flüchtlinge und Übersiedler aus Osteuropa in den Grenzdurchgangslagern ab.

Die Dienststelle war schon lange in die Diskussion geraten, doch verweigerten alle Regierungen Informationen über sie. Nicht einmal die Tatsache, dass das Amt für den BND arbeitete, wurde bis Ende 2012 bei Anfragen von Abgeordneten im Bundestag bestätigt. So konnte man allerdings auch nicht Berichte zurückweisen, dass Asylbewerber mit Drohungen und Lockungen zum Reden gebracht oder dass Informationen wie etwa Handynummern den Amerikanern zur Zielerfassung für ihre gezielten Tötungen per Drohnen überlassen würden.

Ausgerechnet die NSA-Überwachungsaffäre beendete im letzten Jahr die Heimlichtuerei. Auch der BND geriet in den Sog der Debatte, so dass sich BND-Chef Gerhard Schindler zur Flucht nach vorne entschloss und eine "Transparenzoffensive" ausrief. So wurden Anfang Juni sechs bisher getarnte Dienststellen des Geheimdienstes mit Türschildern "Bundesnachrichtendienst " versehen und damit enttarnt. Darunter auch das angebliche "Ionosphäreninstitut" im bayrischen Bad Aibling, eine Abhöreinrichtung. Schindler sagte: "Die Aufgabe des BND ist honorig, hierfür brauchen wir uns nicht zu verstecken." Im November 2013 bestätigte Innen-Staatssekretär Ole Schröder dann erstmals auch die Zugehörigkeit der Hauptstelle für Befragungswesen zum BND. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass die umstrittene Einrichtung zum 30. Juni dieses Jahres aufgelöst werde, was jetzt geschehen ist.

Die Mitarbeiter sind nach Auskunft der Zentrale in Berlin in andere Abteilungen versetzt worden. Der Linken-Abgeordnete Jan Korte hegt den Verdacht, dass sie dort der gleichen Aufgabe weiter nachgehen. "Die öffentlich verkündete Aufgabe der enttarnten Legende HBW ist offenbar der Versuch einer erneuten Legendenbildung, um die kritisierte Praxis ungestört weiterführen zu können", sagte er der Saarbrücker Zeitung. Mehr Transparenz sei das nicht. Tatsächlich braucht der Bundesnachrichtendienst auch künftig Informationen über radikale Gruppen in Krisenländern und deren Kontaktpersonen in Deutschland. Darüber, wie er sich die beschaffen will, gab es gestern keine Auskunft. Angaben über operative Daten mache man grundsätzlich nur gegenüber der Bundesregierung und den zuständigen Parlamentsgremien, hieß es. Nur so viel: Man werde auch die nachrichtendienstlichen Mittel "in den Herkunftsländern" verstärken.

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