Kulturelle Unterschiede akzeptieren

Sulzbach · Die Saarbrücker Zeitung begleitet auch in diesem Jahr wieder die ARD/SR-Themenwoche mit eigenen Beiträgen. Dieses Mal lautet das Thema „Toleranz“. Im heutigen Teil der Serie geht es um den Umgang mit dem Islam.

 Laut Koran gibt es keinen Zwang im Glauben, betont Burhan Yagci. Durch Unwissenheit komme es zu Missverständnissen. Foto: Serra

Laut Koran gibt es keinen Zwang im Glauben, betont Burhan Yagci. Durch Unwissenheit komme es zu Missverständnissen. Foto: Serra

Foto: Serra

"Ich kann Ihnen leider nicht die Hand geben", sagt Burhan Yagci und lächelt freundlich. Der junge, vollbärtige Mann entschuldigt sich nicht nur. Er erklärt. Der 28-jährige Konstrukteur lebt seit vielen Jahren in Sulzbach und ist Vorsitzender des Vereins Muslimische Jugend Saar. Der Verein wurde 2010 gegründet. Mittlerweile bemühen sich 60 Vereinsmitglieder um die Integration junger Muslime . Frauen zur Begrüßung nicht die Hand zu geben, sei keine Ausgrenzung, sondern ein Zeichen von Respekt. Eine "Schamgrenze" werde sonst überschritten, erklärt Yagci. Könnte das nicht als Ablehnung gedeutet werden? "Durchaus. Trotzdem sind im Islam Mann und Frau gleichberechtigt." Yagci lebt seit seiner Geburt in Deutschland und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine Eltern stammen aus der Türkei. Seit Jahren wünscht er sich eine bessere Verständigung zwischen den Glaubensgemeinschaften. "Wir müssen uns miteinander beschäftigen", betont Yagci.

Die Vereinsarbeit findet im deutschsprachigen Gebetshaus Masjid as-Sunna (zu Deutsch: "Moschee der Sunniten") in Sulzbach statt. "Für die Integration gibt es nichts Besseres als eine Moschee in deutscher Sprache", so Yagci. Es gebe insgesamt nur zwei Gebetshäuser im Saarland, in denen der Glaube auch auf Deutsch gelehrt werde. Sprachbarrieren und mangelnde Kommunikation seien die größten Integrationshemmer. "Seit ISIS merken wir die Ablehnung an den Blicken. Manchmal werde ich nicht zurückgegrüßt", erzählt er.

Muslime wie Burhan Yagci distanzieren sich ausdrücklich von der Terrormiliz "Islamischer Staat". Sie sei eine der Hauptsorgen muslimischer Jugendlicher, die sich an den Verein wenden. Wie gehe ich mit einer mordenden Gruppierung um, die sich nach außen hin als "islamisch" bezeichnet? "Es gibt keinen Zwang im Glauben", heißt es in Sure 2 des Korans. Trotzdem kommt es in der islamischen Welt zu Zwangsheirat und sogenannten Ehrenmorden. Wie passt das zusammen? Yagci räumt ein, dass es eine große Kluft zwischen der Glaubenslehre und der Lebensrealität vieler Muslime gebe. Nur durch Aufklärung und Integration könne diese Kluft geschlossen werden. "Integration ist aber nicht gleich Assimilation", stellt Yagci fest. Mit "Assimilation" meint er dabei die vollständige Anpassung an eine andere Kultur. Die Unterschiede müssten stets akzeptiert werden. Bekehrung könne nicht das Ziel sein. Das müsse für beide Seiten gelten. "Heiliger Krieg" ist für ihn daher ein Fremdwort. "Das steht so nicht im Koran", betont er.

Bezüglich der Glaubenslehre herrsche unter Muslimen viel Unwissen. Dadurch komme es zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Um mehr Toleranz zu erreichen, sei es auch hilfreich, Begriffe wie "Ungläubige" aus dem Vokabular zu verbannen. Yagci schlägt als Alternative eine neutrale Unterscheidung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen vor. In Sure 49 heißt es: "Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt." Ist das nur ein frommer Wunsch? Burhan Yagci würde mehr Toleranz - auch ihm gegenüber - sehr begrüßen. "Der Bart ist die Bedeckung des Mannes. Er entfernt mich nicht vom Rest der Welt." Der Islam müsse stets nach außen getragen werden. Niemand sollte sich für seinen Glauben schämen. Dennoch fühle er sich oft wie ein "Fremdkörper". "Bei der Wahrnehmung des Islam passiert folgendes." Er nimmt ein weißes Blatt Papier und zeichnet einen schwarzen Punkt ein. "Wenn ich die Leute frage, was sie auf dem Blatt sehen, dann sagt die Mehrheit: einen schwarzen Punkt. Die große weiße Fläche um den Punkt herum wird übersehen. Wieso schaut man nur auf das, was anders ist?"

Zum Thema:

Auf einen BlickDie ARD/SR-Themenwoche vom 15. bis 21. November steht unter dem Titel: "Toleranz - Anders als du denkst". An diesem Montag gibt es unter anderem diese Programmpunkte: Die Bunten Funkminuten auf SR 3 (9.05-12 Uhr) geben Überlebenstipps zu Toleranz im Alltag, etwa wenn der Kollege zu laut telefoniert. Ab 19 Uhr beantwortet auf SR 1 ein Experte eine Stunde lang Fragen, etwa die, warum Menschen wegen Laub aus Nachbars Garten vor Gericht ziehen. Das ganze Programm findet sich im Videotext des SR. red

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