Ein Zeichen des Mutes und der Hoffnung

St Wendel · Sie haben die Lebensgeschichte des Ex-Wendalinum-Schülers Fritz Berl nachgezeichnet und damit Geschichte geschrieben. Erstmals hat der Kreisverband der Sozialdemokraten keinen älteren Herrn mit dem Eugen-Berl-Preis geehrt. Jetzt wurden die Verdienste der Schülerprojektgruppe „Wendalinum wider das Vergessen“ dort ausgezeichnet, wo Fritz Berl einst die Schule besuchte.

 Am Freitag wurde die Schülergruppe „Wendalinum wider das vergessen“ für ihr Projekt mit dem Eugen-Berl-Preis in der Schulaula geehrt. Foto: Faber

Am Freitag wurde die Schülergruppe „Wendalinum wider das vergessen“ für ihr Projekt mit dem Eugen-Berl-Preis in der Schulaula geehrt. Foto: Faber

Foto: Faber

Ein berührender Moment, geprägt von Anerkennung und Dankbarkeit. Orna Gold , Tochter von Fritz Berl, erhebt sich von ihrem Sitzplatz und spendet den Schülern der Projektgruppe "Wendalinum wider das Vergessen" in der Aula des Gymnasiums Wendalinum spontan Applaus. In den vergangenen beiden Jahren haben sie sich intensiv mit dem jüdischen Leben in St. Wendel auseinandergesetzt. Im Zentrum der Arbeit der Jugendlichen steht das Schicksal von ihrem Vater Fritz Berl, Sohn Eugen Berls und ehemaliger Schüler des damaligen Knabengymnasiums (Wendalinum). Ihm gelingt während des Holocausts 1939/1940 die Flucht nach Palästina.

"Dass die Schüler einen regelmäßigen Kontakt zu den Nachkommen von Eugen und Fritz Berl hergestellt haben, hat uns sehr beeindruckt", meint der SPD-Kreisvorsitzende Magnus Jung anlässlich der Verleihung des Eugen-Berl-Preises. Der sei in der Vergangenheit in unregelmäßigen Abständen an ältere Herren verliehen worden. Dazu Bildungsminister und Laudator Ulrich Commerçon : "Es ist mehr als nur die Aufarbeitung der Geschichte ; die Projektgruppe hat einen wertvollen Beitrag zur deutsch-israelischen Verständigung geleistet", lobt der sozialdemokratische Minister. In Zeiten, in denen das gesellschaftliche Klima rauer geworden sei, hätten die Schüler durch Vermittlung demokratischer Werte ein Zeichen des Mutes und der Hoffnung gesetzt. "Aus der deutschen NS-Vergangenheit ergibt sich für uns alle die Verpflichtung, den Flüchtlingen zu helfen", meint Commerçon. Den Anspruch des Grundgesetzes, die Würde ist unantastbar, habe die Projektgruppe mit Leben erfüllt. "Ja, sie haben ein Opfer des NS-Terrors in die Gegenwart zurückgeholt", beschreibt er. Betreut wird die Schüler-Gruppe von Lehrer Rafael Groß: "Aus dem ehemaligen Wendalinum-Schüler Fritz Berl ist unser Freund Fritz geworden, den wir leider nie kennengelernt haben", resümiert er stellvertretend in Namen der Schüler . Groß bezeichnet es als eine Ehre, für einen Preis ausgezeichnet zu werden, der zudem noch den Namen Eugen-Berl-Preis trägt. "Denn durch den Besuch bei der Familie Berl/Gold hat sich eine Freundschaft entwickelt", schildert Groß. Nach der Rückkehr aus Israel hat Schulleiter Heribert Ohlmann die SZ zu einem Treffen mit der Projektgruppe eingeladen. Den daraus entstandenen Zeitungsartikel hat eine Familie in St. Wendel gelesen. "Die hat sich dann in der Schule gemeldet, da sie im Besitz von Hausratsgegenständen ist , die der Familie Berl gehören würden", berichtet Groß, worauf die Schule den Kontakt zur Familie Gold herstellt. So hat Orna Gold gemeinsam mit ihrer Tochter die Kreisstadt besucht, um die Fundsachen in Empfang zu nehmen. Vielleicht sind sie bald wieder in St. Wendel zu Gast.

Aus dem Projekt heraus ist die Idee entstanden, die Schulaula nach Berl zu benennen. "Ade Kameraden", musizieren Kristin Backes und Christoph Hummel zum Abschluss der Feier. Passt genau. Die derzeitigen Mitglieder der Gruppe werden nach dem Abitur das Gymnasium verlassen, das Projekt soll weitergegeben werden.

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HintergrundEugen-Berl-Preis: Eugen Berl war im frühen vergangenen Jahrhundert der Gründer der SPD in St. Wendel und hat deren Geschicke über Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Mit Beginn der NS-Schreckensherrschaft wurde es aber auch für Berl immer schwieriger, seine politischen Positionen zu vertreten. Er starb 1936 und war der letzte Jude, der in St. Wendel beerdigt wurde. Zudem überreicht die Juso-Kreisvorsitzende Sandra Henkel der Schule einen Scheck über 500 Euro. frf

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