Aus der Geschichte lernen

St Wendel · George Shefi ist ein Überlebender des Holocaust. Als Zeitzeuge ist er mit St. Wendeler Gemeinschaftsschülern nun über seine Lebenserinnerungen im Umfeld des Zweiten Weltkriegs ins Gespräch gekommen.

 George Shefi und Willi Portz (r.) vom Adolf-Bender-Zentrum vor den Schülern. Foto: Marc André Müller

George Shefi und Willi Portz (r.) vom Adolf-Bender-Zentrum vor den Schülern. Foto: Marc André Müller

Foto: Marc André Müller

Ganz still lauschten die 50 Schüler der Klassenstufe zehn dem Holocaust-Überlebenden George Shefi, der in einem rund 90-minütigen Vortrag aus seinem Leben erzählte. Zusammen mit seiner Frau Yael und seiner Tochter Tammy Miriam Hasson war er zum Zeitzeugengespräch an die Gemeinschaftsschule St. Wendel gekommen. Die Schule ist Mitglied im Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Die Veranstaltung wurde von der Landeszentrale für politische Bildung, die auch die Finanzierung sicher stellte, und vom Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel organisiert.

Shefi schilderte vor allem seine Kindheits- und Jugenderlebnisse. Mit nicht einmal acht Jahren wurde er im Juli 1939 von der Mutter von Berlin nach England geschickt, weil die Lage in der Hauptstadt nach der Reichspogromnacht im November 1938 für Familien deutsch-jüdischer Abstammung immer unsicherer wurde. "Ich wurde einfach in den Zug gesteckt. Durch das Zugfenster sah ich meine Mutter den Bahnsteig entlang laufen. Sie sah mich nicht. Es war das letzte Mal in meinem Leben, dass ich sie gesehen habe", schildert Shefi den Abschied von der Mutter, die zwei Jahre später nach Auschwitz gebracht und dort vermutlich noch am Ankunftstag ermordet wurde.

Dieser Kindertransport, den Shefi als "tragisches Ereignis" bezeichnet, sei ihm ein Leben lang in Erinnerung geblieben. So sei in sein Abteil kurz vor Abfahrt auch ein junges Mädchen geschoben worden, das in einem Koffer zwei namenlose Babys ohne Papiere bei sich hatte. Auch sein Leben im Exil in England und schließlich in den USA schilderte der 84-Jährige ausführlich und anschaulich und traf damit den Nerv seiner Zuhörer, die sich ein solches Schicksal gar nicht vorstellen konnten.

Heute lebt George Shefi mit seiner Frau, seinen Töchtern und Enkelkindern in Israel. Diese nimmt er zu Begegnungen mit anderen Holocaust-Überlebenden mit, um die Geschichte lebendig zu halten. Aus diesem Grund reist er auch regelmäßig nach Deutschland, um in Schulen seine Lebensgeschichte zu erzählen. Seine eindrucksvollen Erlebnisse hat er außerdem im Buch "The way of fate" (deutsch: Weg des Schicksals) niedergeschrieben. Den jugendlichen Zuhörern gab Shefi am Ende noch einen Auftrag mit: "Die heutigen Generationen in Deutschland sollen nicht die Schuld auf sich nehmen für das, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist. Aber es ist ihre Aufgabe, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen und daraus zu lernen."

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