Würdiges Gedenken der NS-Zeit

St Wendel · Eine zentrale Veranstaltung soll den Opfern des Nationalsozialismus gedenken. Dies ist eines von vielen Mosaiksteinen der Erinnerungskultur im Landkreis St. Wendel. Daran sind viele Akteure beteiligt. Ziel sind Aufklärung und ein verantwortungsvoller Umgang mit der NS-Vergangenheit.

 Egon Dewes aus Marpingen hat diese Stele geschaffen, die an die Synagoge in St. Wendel erinnern soll. Foto: B&K/Archiv

Egon Dewes aus Marpingen hat diese Stele geschaffen, die an die Synagoge in St. Wendel erinnern soll. Foto: B&K/Archiv

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Gedenkfeiern und Denkmäler, Mythen und Rituale, Symbole und historische Ereignisse - dies sind Bestandteile des kollektiven Gedächtnisses, also dessen, woran sich, neben dem Einzelnen, eine Gruppe, eine Gesellschaft erinnert. Woraus sie unter anderem ein Selbstbild, eine eigene Identität schöpft. Diese verändert sich ständig, neue Deutungen und Ereignisse kommen hinzu. Ein dynamischer, nicht immer konfliktfreier Prozess, in freien Gesellschaften. Am Ende steht die Erinnerungskultur, also das, woran bewusst erinnert wird. Die Vergangenheit bleibt somit gegenwärtig, hat Einfluss auf das Hier und Jetzt.

Dies gilt auch für die NS-Zeit, die Teil der Erinnerungskultur ist. "Die Deutschen müssen sich zwei Fragen in jeder Generation, in jedem Jahrzehnt aufs Neue stellen", schreibt daher der Politikwissenschaftler Peter Reichel. "Warum konnte das Gewaltverbrechen, warum konnte der Holocaust gerade in Deutschland geschehen? Oder andersherum gefragt: Warum konnte Hitler, warum konnte eine staatliche Rassenpolitik nicht verhindert werden?"

Auch im St. Wendeler Land gab es Opfer und Täter, Mitläufer und Ausgestoßene, Nutznießer und Widerstandskämpfer. Daran wird erinnert. "Der Landkreis St. Wendel bemüht sich bereits seit einigen Jahren darum, eine Erinnerungskultur mitzugestalten, die offen und würdig der NS-Zeit und ihrer Opfer gedenkt. Dabei werden wir von vielen Institutionen, Vereinen und Einzelpersonen unterstützt", sagt Landrat Udo Recktenwald .

Als 1935 die Einwohner des Saargebietes - seit 1920 vom Völkerbund verwaltet - aufgerufen wurden, zu entscheiden, ob ihre Heimat an Frankreich, das nationalsozialistische Deutschland angeschlossen, oder aber, ob der Status quo beibehalten werden sollte, stimmten im Landkreis St. Wendel 94,7 Prozent für Deutschland. Nun folgte, was in anderen Regionen Deutschlands bereits seit 1933 an der Tagesordnung war. Wie etwa am 9. und 10. November 1938, als es im Kreis zu Ausschreitungen gegen jüdisches Eigentum, zu Schändungen jüdischer Friedhöfe und Synagogen , zu Misshandlungen und Verhaftungen jüdischer Bürger kam. Am 10. November wurde die St. Wendeler Synagoge, 1902 eingeweiht, in Brand gesteckt. "Mit der jährlichen Kranzniederlegung am einstigen Standort der Synagoge und der 2016 aufgestellten Stele erinnern wir gemeinsam mit der Kreisstadt und dem Verein 'Wider das Vergessen und gegen Rassismus' an diese Untaten", unterstreicht Recktenwald.

Im Kreisgebiet erinnern Stolpersteine an einstige jüdische Nachbarn. Außerdem hat der Landkreis gemeinsam mit dem Adolf-Bender-Zentrum sieben Orte gegen das Vergessen errichtet. Diese stehen für das einstige jüdische Leben in der Region, das durch die Nazis ausgelöscht wurde. Sie erinnern aber auch an Zivilcourage, wie der Änne-Meier-Platz in Baltersweiler. Änne Meier wurde ins Konzentrationslager (KZ) Ravensbrück deportiert, weil sie sich den Nationalsozialisten widersetzte. Recktenwald: "Der Landkreis unterstützt zudem weitere Projekte wie Publikationen, aber auch die Arbeit an Schulen, damit diese Zeit nicht in Vergessenheit gerät." Und dazu zähle auch die zentrale Gedenkveranstaltung anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.

Übrigens: Das Konzept des kollektiven Gedächtnisses wurde durch den französischen Soziologen Maurice Halbwachs in den 1930er-Jahren populär. Halbwachs war Sozialist, seine Söhne im französischen Widerstand gegen das NS-Besatzerregime aktiv. 1944 wurde er verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. Dort starb er am 16. März 1945.

Zum Thema:

Auf einen Blick Zentrale Gedenkveranstaltung des Landkreises St. Wendel zum Internationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am Freitag, 27. Januar, 19 Uhr, Cusanus Gymnasium St. Wendel . Programm: Gerhard Koepke "Das Dritte Reich und die evangelische Kirche - regionale Perspektive", Vorstellung der Arbeit des Seminarfachs "Spuren von Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land", Musik: Schüler und Chor des Cusanus Gymnasiums. Moderation: Bernhard W. Planz. Der Eintritt ist frei. red

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