Veranstaltungen sind nur die Kür

St Wendel · Was können Kommunen tun, um den Handel zu stärken? Wer könnte diese Frage besser beantworten, als St. Wendels Bürgermeister Klaus Bouillon, der die Marketing-Strategie der Kreisstadt selbst als sein Lieblingsthema bezeichnet? Laut Bouillons Angaben war St. Wendel die erste Stadt im Land, die ein eigenes Amt für Stadtmarketing einrichtete.

 Veranstaltungen wie der Ostermarkt zaubern nicht nur ein Lächeln auf die Gesichter der Besucher, sondern auch auf die der Hoteliers, Gastronomen und Einzelhändler. Foto: atb/Archiv

Veranstaltungen wie der Ostermarkt zaubern nicht nur ein Lächeln auf die Gesichter der Besucher, sondern auch auf die der Hoteliers, Gastronomen und Einzelhändler. Foto: atb/Archiv

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Weltmeisterschaften, Weltcups, Marathon, Oster- und Weihnachtsmarkt, Zauber-Festival: St. Wendel ist bekannt für ihre hochkarätigen Veranstaltungen. Diese locken hunderttausende Besucher an, spülen damit Millionen Euro in die Kassen von Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel. Es klingt schon überraschend, wenn Bürgermeister Klaus Bouillon , der Marketing als sein "Lieblingsthema seit 32 Jahren" bezeichnet, dann sagt, dass diese Events gar nicht der Hauptgrund sind, warum St. Wendel , wo es laut Bouillon das erste eigene Stadtmarketing-Amt im Saarland gab, heute so gut dastehe.

Die Veranstaltungen seien gut fürs Image, seien die "Kür". Das Entscheidende, so erklärt Bouillon , seien aber die baulichen Veränderungen. "90 Prozent der Gebäude in der Innenstadt wurden umgebaut, verschönert oder neu gebaut", sagt Bouillon und meint damit die Zeitspanne seiner Amtszeit. Vor gut 30 Jahren, als er angefangen habe, sei die Stadt "tot" gewesen. Marketing funktioniere aber nur mit einem guten Produkt. Also habe er von Anfang an das Ziel verfolgt, St. Wendel attraktiv zu machen. Mehr als 300 Millionen Euro habe die Verwaltung in drei Jahrzehnten in die Schönheit der Kernstadt investiert. Beispielsweise über Programme wie das Förderprogramm zur Sanierung privater Objekte ab 2005 (rund 30 000 Euro ) oder das Fassadensanierungsprogramm von 1995 bis 2003 (rund 266 000 Euro ). Auch das Haus Colbus zur Stadtverwaltung umzubauen, sei ein Teil der Marketing-Strategie. Erstens, weil damit ein Schandfleck in bester Lage beseitigt worden sei. Zweitens, weil mit einem Amt in der Stadtmitte "Muss-Kunden", wie es Bouillon ausdrückt, in die Fußgängerzone, die 1983 gebaut wurde, gelockt würden.

Auch in Sachen Kultur verfolgte Bouillon von Anfang an eine Marketing-Strategie. "Vor 32 Jahren waren für Kultur 0,0 Mark im Haushalt eingestellt", sagt Bouillon . In der Politik und auch in der Gesellschaft habe man die Einstellung vertreten, Kultur sei nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung. Die Folge: "Die Friedhofshalle war die meistgenutzte Halle in St. Wendel ." Bouillon spricht von sechs Veranstaltungen im Jahr im Saalbau. Das sollte sich ändern. Zunächste einmal wurden 40 000 Euro für Kultur im Haushalt bereit gestellt. Kostenlose Hallenmieten und genügend Parkplätze seien weitere Faktoren für eine attraktive Stadt.

Alles, was heute so logisch klingt, sei vor 30 Jahren sehr umstritten gewesen, betont Bouillon immer wieder gern. Es habe heftige Diskussionen gegeben. Von Steuerverschwendung war da die Rede, weil städtische Arbeiter bei den Veranstaltungen eingesetzt wurden. Bouillon setzte sich durch und sagt: "Heute gelten wir als mustergültig in Deutschland." Und lobt dabei auch die Motivation und den Einsatz seiner Mitarbeiter: "Sie arbeiten an 30 Wochenenden im Jahr."

Der Kultur folgte der Sport. Auf der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal kam Bouillon seine eigene Affinität zum Radsport zugute. St. Wendel als Sport - konkret als Radsportstadt - sei Stück für Stück aufgebaut worden. Auch das sei am Anfang gar nicht so positiv gesehen worden. Bouillon : "Die Leute haben nicht verstanden, warum eine Straße gesperrt wurde."

Mittlerweile hat sich alles so etabliert, dass Bouillon glaubt, für viele St. Wendeler sei das, was in anderen Städten als außergewöhnlich angesehen werde, in St. Wendel selbstverständlich. Dabei, darauf weist er hin, "erbettele" er sich Jahr für Jahr 300 000 Euro für die Veranstaltungen; so dass diese nicht komplett über Steuergelder finanziert werden müssen. Ohne diese Spenden würden viele Veranstaltungen flach fallen.

Damit auch Einnahmen für die Geschäftsleute, aber vor allem für die Hotellerie und Gastronomie. Der Weihnachtsmarkt, in den die Stadt rund 170 000 Euro (zuzüglich Personalkosten) investiert, beschere so manchem Gastronom den Umsatz von drei Monaten, weiß Bouillon . Dennoch betont der Bürgermeister: "Die Macht der Verwaltung ist begrenzt." Sie könne die Kunden nur zur Ladentür bringen; dann sei die Kaufmannschaft gefordert. Aber auch da scheint es, als werde gute Arbeit geleistet. Denn laut Bouillon gibt es in St. Wendel "mit die wenigsten Leerstände, die wir je hatten".

Dabei weist Thomas Wüst, der Leiter des Amtes für Stadtmarketing, darauf hin, dass es Faktoren gibt, die man auch mit dem besten Stadtmarketing nicht beeinflussen könne. Die "Überversorgung mit Einkaufsgalerien" sei ein Faktor, außerdem der wachsende Umsatz im Internet und die Tatsache, dass einige große Marken kleinere Geschäfte gar nicht mehr belieferten. Und Maximilian Ries vom Amt für Stadtmarketing fügt hinzu: "Den Euro kann man nur einmal ausgeben; und wer das größte Angebot hat, gewinnt."

Trotz eines Handels im Wandel und nicht zu beeinflussenden Faktoren sieht Bouillon seine Stadt auf dem richtigen Weg: "Ohne unser Marketing-Konzept wären wir heute genauso tot wie andere vergleichbare Städte ." Und der Einsatz kommt auch zurück in die Kassen St. Wendels - über die Gewerbe- und Einkommenssteuer, über wenige Arbeitslose. "Wir kurbeln den Wirtschaftskreislauf an", sagt Bouillon . Und betont wieder, wie wichtig es ist, eine Stadt zu verschönern: "Wir haben eine Stadt, die lebt, die pulsiert - und das macht uns allen Spaß."

Sankt-Wendel.de

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