Teenager fanden zweite Heimat

St Wendel · Für Lili Könicke und Jeannine Ehr ging es für ein Jahr ins Ausland. Ihre Ziele: USA und Argentinien. Ermöglicht hat ihnen dieser Jugend-Austausch der Rotary-Club Stadt St. Wendel. Wie es für die beiden Teenager war, ganz allein in einem fremden Land – darüber berichteten sie bei einem Besuch in der St. Wendeler Redaktion.

 Jeannine Ehr, Manuela Angel (Beauftragte des Jugenddienstes Rotary Club Stadt St. Wendel) und Lili Könicke. Foto: Evelyn Schneider

Jeannine Ehr, Manuela Angel (Beauftragte des Jugenddienstes Rotary Club Stadt St. Wendel) und Lili Könicke. Foto: Evelyn Schneider

Foto: Evelyn Schneider

Eintrittskarten, Buttons, Schlüsselanhänger. Die Jacken von Lili Könicke und Jeannine Ehr sind übersät mit kleinen Souvenirs. Was auf den ersten Blick wie ein wildes Sammelsurium wirkt, sind für die beiden kostbare Erinnerungen. "Mein Herz ist da geblieben", sagen die Teenager einmütig. Und meinen damit, dass sie nun eine zweite Heimat gefunden haben.

Ein Jahr lang war die 16-jährige Lili Könicke als Austauschschülerin in den USA, für die 17-jährige Jeannine Ehr ging es nach Argentinien. Ermöglicht hat den Aufenthalt der Rotary-Club Stadt St. Wendel . Dass zwölf Monate viel im Leben der Jugendlichen verändern, weiß Rotarier Josef Alles aus Erfahrung. Es war bereits der fünfte Austausch. "Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie sich die jungen Leute entwickeln", so Alles.

Andere Kultur kennen lernen

Es geht bei dem Austausch-Programm der Rotarier darum, eine andere Kultur kennen zu lernen und die eigene in die Welt zu tragen. Doch ganz nebenbei lernen die Schüler auch sich selbst auf eine neue Weise kennen. So erging es auch Lili Könicke. "Ich habe gelernt, dass ich große Städte liebe", sagt sie. Bis vor einem Monat wohnte sie in Portland (Oregon/USA). 600 000 Einwohner zählt die Hafenstadt an der Westküste, in der auch viele Obdachlose leben. "Was mich erschreckt hat, ist, dass ich die Obdachlosen am Ende gar nicht mehr gesehen habe, ich hatte mich daran gewöhnt." Wenn die 16-Jährige spricht, ist ein leichter amerikanischer Akzent zu hören. Sie sei immer wieder versucht, in Englisch loszuplaudern.

Vier Tage habe es gedauert, bis sie sich an das Amerikanisch gewöhnt hatte. Die Schülerin des St. Wendeler Cusanus-Gymnasiums ging in Portland auf eine Highschool. Diese empfand sie als sehr modern. Sie hatte die Gelegenheit, praktische Fächer zu belegen. "Die Atmosphäre war locker. Es ging nicht so um das Äußere", sagt Lili. Die Schüler seien so herumgelaufen, wie sie sich wohlfühlen. Aufgefallen ist die 16-Jährige unter 2000 Schülern und 15 Austauschschülern zu ihrem eigenen Bedauern nicht so sehr.

Ganz anders erging es Jeannine Ehr in Villa del Rosario (Provinz Cordoba, Argentinien). "Ich war die einzige Austauschschülerin und ein Highlight." Als sie das Abenteuer Argentinien antrat, konnte sich die 17-Jährige gerade mal in Spanisch vorstellen, heute spricht sie die Weltsprache fließend. Sie ging auf eine katholische Schule, in der morgens noch zusammen gebetet wurde, die rund 300 Schüler einheitlich gekleidet und Make-up strengstens verboten war. Bis zu 43 Schüler waren in einer Klasse. "Ordentliches lernen ist da nicht möglich", resümiert Jeannine. Am Anfang habe sie dem Unterricht kaum folgen können. Alles musste sie übersetzen, und am Ende des Tages sei ihr Kopf einfach nur müde gewesen. Aber da die Gastfamilie konsequent mit Jeannine nur Spanisch sprach und sie zusätzlich noch privaten Unterricht nahm, machte sie rasch Fortschritte. Außerdem lernte die Gymnasiastin, die in Ottweiler zur Schule geht, rasch, dass Pünktlichkeit in Argentinien ein dehnbarer Begriff ist. Während im Nachbarland Brasilien die Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, musste Jeannine einem argentinischen Fernsehsender ein Interview geben. Ein weiteres einschneidendes Erlebnis war ein Tornado, der im vergangenen Dezember über die 18 000 Einwohner zählende Stadt Villa del Rosario hinwegzog. "Das war ein harter Schlag für meine Stadt", sagt die 17- Jährige. Es sei viel zerstört worden, noch heute dauerten die Aufräumarbeiten an.

Die beiden Mädchen schwärmen von den Ausflügen, die sie gemeinsam mit den übrigen Austauschschülern gemacht haben. Der Zusammenhalt untereinander sei groß gewesen. "Wir hatten die gleichen Probleme", sagt Lili. "Es war wie eine Familie", ergänzt Jeannine.

USA, Argentinen - es sind zwei sehr unterschiedliche Länder, die die beiden Teenager kennen und lieben lernten. Und doch gibt es Themen, die beide beschäftigt haben. Zum Beispiel das Essen. Während es in Argentinien üblich ist, erst gegen 22 Uhr zu essen, gab es in der Gastfamilie in den USA bereits gegen 18 Uhr Dinner. Für die Mädels eine echte Umstellung. Was das Ausgehen betrifft, so ist das auch sehr spät in Argentinien. "Um Mitternacht geht man zum Vorglühen los, gegen drei Uhr erst in Disco und dann eventuell zum gemeinsamen Frühstück", berichtet Jeannine. Abends und vor allem nachts sollte sie nicht alleine ausgehen. Aber an den Wochenenden war sie regelmäßig mit der Gastschwester unterwegs. In den USA ist das Ausgehen mit 16 Jahren gar nicht so einfach. "Es gibt strenge Regeln", so Lili.

Und dann ist da noch die Don't-Liste der Rotarier, auf der fünf Verbote zusammengefasst sind. Dort steht auch No Dating, also keine Rendezvous im Gastland. Ist das nicht sehr streng? Manuela Angel, verantwortlich für den Jugendaustausch beim Rotary Club Stadt St. Wendel , erklärt: "Es ist ein Kulturaustausch und kein reiner Schüleraustausch . Die jungen Leute sollen viele Kontakt knüpfen - in der Schule, beim Sport oder anderen Freizeitbeschäftigungen." Käme der romatische Aspekt bei Verabredungen hinzu, bestünde die Gefahr, dass sich der Austauschschüler nur noch auf eine Person konzentriert.

Und tatsächlich sind es viele Menschen, die Lili und Jeannine in ihre Herzen geschlossen haben und vermissen. Beide wollen sie in ihre zweite Heimat zurückkehren. Beim Jugendaustausch des Rotarier-Clubs Stadt St. Wendel geht es darum, fremde Kulturen kennenzulernen. Gleichzeitig sind jene Schüler , die von St. Wendel aus in die Welt aufbrechen Botschafter der deutschen Kultur. Aber was genau denken Argentinier und Amerikaner über Deutschland?

"Man kennt das Oktoberfest und denkt, dass wir viel Bier trinken", berichtet die 17-jährige Jeannine Ehr, die ein Jahr in Argentinien verbrachte. Auch der Name Hitler falle noch im Zusammenhang mit Deutschland. "Man muss erklären, dass wir keine Nazis sind", sagt Jeannine. Geschätzt werde an Deutschland die Sauberkeit.

"Und wie organisiert wir sind", sagt Lili Könicke. Die 16-Jährige lebte zwölf Monate in den Vereinigten Staaten. Dass Universitäten hier umsonst sind, sei auch ein großes Thema gewesen. "Bier und Brezeln - das ist deutsche Kultur", sagt Lili lächelnd.

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HintergrundSchon seit fünf Jahren organisiert der Rotarier-Club Stadt St. Wendel einen Schüleraustausch . "Es ist ein Win-Win-Prinzip", sagt die Jugenddienstbeauftragte Manuela Angel. "Der Club, der Schüler rausschickt, nimmt auch welche auf." Ein Jahr im Ausland kostet pro Schüler zirka 30 000 Euro. Die Startkosten wie Flugticket und Touren tragen die Eltern des Schülers (das sind 3000 bis 4500 Euro je nach Land). 3500 Euro zahlt der Rotary-Club unter anderem für das Taschengeld vor Ort. Kosten für Verpflegung und Unterkunft tragen die Gastfamilien. "In jeden Land gibt es pro Schüler drei Gastfamilien", sagt Angel. Eine vierte Familie stehe im Notfall bereit. Außerdem gibt es mehrere Ansprechpartner im Ausland. So auch der Councelar, eine Art Vertrauensperson für den Austauschschüler . Manuela Angel betont, dass der Rotary-Jugendaustausch kein Sprachurlaub und auch kein reiner Schüleraustausch sei. Es gehe darum, andere Kulturen kennen zu lernen und selbst Botschafter der deutschen Kultur zu sein. Für das Jahr 2015/16 liegen dem Rotarier-Club Stadt St. Wendel noch keine Bewerbungen vor. Wer Interesse an dem Austausch hat, kann sich an den Jugenddienst des Clubs wenden, E-Mail: manuela.angel@gmx.de. Infos im Internet: www.rotary-jugenddienst.de/jugenddienst . evy

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